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Beratungsfrage1. Oktober 2024

Wir Eltern dürfen uns nicht küssen!

Unsere Tochter ist 2,5 Jahre alt, und Papa ist eindeutig ihre Bezugsperson Nr. 1 - sie bevorzugt ihn beim ins-Bett-bringen, weint nach ihm, wenn sie sich weh getan hat, etc. Was völlig in Ordnung für mich als Mama ist. Ab und an trifft es mich schon, wenn sie sagt "Mama geh weg". Aber auch da weiß ich, dass es von ihr nicht böse gemeint ist.

Meine Tochter kann es ganz schwer akzeptieren bzw. überhaupt nicht, wenn mein Mann und ich uns umarmen oder zu nahe kommen. Da sagt sie immer "mein Papa" und weint. Auch wenn wir sprechen, sorgt sie lautstark dafür, dass die Aufmerksamkeit wieder bei ihr liegt.

In den Situationen, wenn sie schreit und weint, wenn wir als Eltern uns umarmen, wissen wir nicht, wie wir richtig damit umgehen können, und es ist ziemlich belastend. Die Zeit als Paar mit Kind ist sowieso schon minimal, und wenn das Kind dann die Nähe zwischen den Eltern nicht akzeptieren kann, ist es natürlich nicht wirklich förderlich.
Mir ist in dem Moment bewusst, dass meine Tochter Angst hat, ihr Papa wird ihr genommen. Wir versuchen dann mit ihr gemeinsam zu kuscheln und uns alle in den Arm zu nehmen, dass sie nicht das Gefühl hat ausgeschlossen zu werden.

Hast Du einen Tipp für uns?

Super, dass Ihr so offen damit umgeht. Ich will ein paar Aspekte ansprechen, die Euch vielleicht bei der Klärung helfen:

1.

Dass ein Kind gerade in diesem Alter ein Elternteil bevorzugt, ist normal. Und das kann auch so aussehen, dass der andere Elternteil dann ausgegrenzt wird. Das heißt nicht, dass das Kind diesen Elternteil dann nicht mag, es ist einfach noch nicht so weit, dass es zwei Gefühle in derselben „Gefühls-Schublade“ unterkriegt. Und ja, da greift das Kind dann manchmal auch zu sehr deutlichen Kontrasten (bis hin zu „Mama soll sterben“, wenn das innere Durcheinander sich mit Zorn mischt). Dieses Ausdifferenzieren der Gefühlswelt („beide sind auf ihre Art toll und mir wichtig“) kann noch eine ganze Weile dauern. Gut also, wenn Ihr Euch jetzt in dieser Hinsicht nicht verunsichern lasst.

2.

Offenbar macht es Eurer Tochter Stress, wenn sie sieht oder spürt, dass Ihr Eltern Euch gern habt. Ich denke, dass ihr Motiv da ein sehr menschliches ist, nämlich Eifersucht. Sie hat vielleicht nicht direkt Angst „ihren Papa zu verlieren“, wie Du schreibst, denn sie erfährt ja tagtäglich, dass er „unverlierbar“ ist – aber es macht ihr Stress ihn zu teilen. Das steht ihr zu.

3.

Und damit zu Euch. Natürlich steht auch Euch zu, dass Ihr Eure Liebe zum Ausdruck bringt. Und natürlich steht Euch auch zu, dass Ihr Eure Beziehung pflegt, wo es sich ergibt. Ich will Euch beide ermuntern da ganz klar zu sein: Eure Beziehung als Eltern, Eure Liebe und Zuneigung, ist nicht nur „nice to have“, es ist auch ein Motor für die ganze Familie. Ich finde das darf man ruhig ein bisschen feiern, denn so ein laufender Motor macht gute Laune und bringt viel Umpf in den Alltag, den ihr alle gut gebrauchen könnt. Und Du spürst das ja, so klingt das für mich. Du würdest gerne Eure Erwachsenenbeziehung „ehrlich“ leben können, ohne von Eurer Tochter ausgebremst – und ein Stück weit ja auch ausgeschlossen – zu werden.

4.

Deshalb der langen Rede kurzer Sinn: Macht Eurer Tochter nichts vor. Seid so wie Ihr seid und zeigt, was in Eurem Herzen ist. Nicht, um Eurer Tochter etwas beizubringen, sondern weil es Euch gut tut. Weil es Euch trägt. Und weil es schlichtweg die Realität ist. Euer Leben. Dann blickt einmal ein bisschen um die Ecke, also was Ihr so braucht für Euren Weg: Ihr seid eine Familie, und das ist sie in einem lebendigen Sinn nur, wenn keiner der Planeten ausgeschlossen ist. Wo sich eine solche Tendenz abzeichnet (hier tut sie es in meinen Augen): steuert dagegen. Auch Eure Tochter wird dabei gewinnen: Es ist für sie etwas Wunderbares, wenn sie mitbekommt, wenn Erwachsene liebevoll miteinander sind. Lebt es ihr gerne vor, sie wird dieses Vorbild später sicher gut gebrauchen können.

5.

Damit wieder zu Eurer Tochter. Deine Sorge ist ja, dass sie dann in Stress gerät. Und ja, das ist so, und es wird eine Weile lang so sein. Und das darf so sein. Sie ist ja bisher nichts anderes gewohnt, es hat sich ja so eingespielt, dass Ihr in Eurem Verhalten zueinander Eurer Tochter folgt. Was ich damit sagen will: Sie konnte sich auf Euch als Liebespaar ja noch gar nicht einstellen.

Wird sie das können? Absolut. Sie will und sie wird ihren Weg finden in ein Universum in dem ALLE aufeinander bezogen sind: Kind zu Mama, Kind zu Papa, und Papa zu Mama. Wir Menschen leben in Familien und unsere Kinder fragen mit wachen Augen, wie das geht. Dass da gute Gefühle zwischen den Eltern ausgetauscht werden, das kann ein Menschenkind aushalten, es ist Teil unseres angestammten „Bindungssystems“. Hier liegt also keine „Überforderung“ vor, vor der wir das Kind schützen müssten. Eure Tochter will doch nicht stehenbleiben bei diesem „ich habe da einen supertollen Papa und sonst nichts“. Oder: Ich bestimme, was meine Eltern tun. Und ich verordne, dass die Familie eigentlich aus „Abteilungen“ besteht, wie sie mir gerade gefallen. Das hat keine Zukunft, denn die Realität ist eine andere. Zeigt sie ihr.

6.

Eure Tochter lebt als Kleinkind in einer Entwicklungsphase, in der Kinder Gefühle kennen lernen und auch „zähmen“ lernen. Auch die starken und die negativen Gefühle. Ihr lauft ja auch nicht auf Zehenspitzen um Eure Tochter herum, nur damit sie nicht auch mal eine Enttäuschung erleben muss. Ihr sagt Nein, wenn es für ihre Entwicklung gut ist, und Ihr sagt Nein, wenn es für Euch als Familie wichtig ist. In so guter Art wie Ihr eben könnt. Und so macht Ihr es auch mit der Eifersucht: Wir mögen uns – und das ist gut so. Wir haben Freude aneinander – und das ist gut so. Ihr müsst da auch nicht lange mit Eurer Tochter texten oder Euch verteidigen oder Schuldgefühle haben: Es ist so, und es ist gut. Nach und nach wird das auch für Eure Tochter gut sein. Sie wird nach und nach spüren, dass Eure Beziehung ihr nichts wegnimmt – auch das kann sie nur, wenn Ihr ihr nichts vormacht.

Denn sonst verharrt Ihr alle in einer künstlichen Welt – einer Pseudowelt, in der Euer Kind dort ist, wo alle Kinder dieser Erde letzten Endes überfordert und letzten Endes einsam sind: in der Mitte des Familienuniversums.

Wo sie doch eigentlich Teil einer Familie sein wollen.

 

 

"Mit Herz und Klarheit – Wie Erziehung heute gelingt und was eine gute Kindheit ausmacht" ist soeben erschienen. Dieses Buch ist ein Wegweiser für eine erfüllende und gelingende bedürfnisorientierte Familienzeit.
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3 Kommentare

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  • Monika K.

    Sehr hilfreich, Stärkung für alle Beteiligten. DANKE!

  • Jale

    So wunderbar verfasst wieder!! Ich feier es total! Danke 🤩🤩🤩 🙏 umfassend, ermutigend, befähigend 🙏🙏
    die Phase kennen wir in Ansätzen auch (“na, ICH will aber den Papa schnuckeln” oder “ihr sollt nicht die ganze Zeit miteinander sprechen”).
    Da haben wir jeweils dem kleinen Neinhorn tief in die Äuglein geblickt und gesagt “Dass wir, die Mama und ich, uns lieb haben, das ist das, was Euer Leben schön macht und was uns trägt. Wie ein gutes Boot, das uns auf dem Wasser trägt. Wir brauchen Zeit miteinander, weil das dem Liebhaben gut tut. So wie man sich um ein Boot kümmern muss, es pflegen, streichen, putzen, sonst wird es morsch und geht irgendwann unter. Stell Dir mal vor, wir würden uns stattdessen die ganze Zeit streiten” (und dann, um das ganze etwas aufzulockern, so getan, als ob wir ganz kindisch streiten, so nein-doch-ichwillaber mäßig und dann auch mal etwas ernster gesagt, “viele Kinder haben keine Mama Papa mehr, die sich gern haben. Wenn der Papa und ich einander nicht mehr hätten, wärs auch für Dich hart”. Das haben sie dann jeweils schnell eingesehen. Und dürfen nicht nur die Eltern, sondern auch Oma und Tante tüchtig schnuckeln….

    ich glaube, was unser Leitfaden dabei war: Elternsein darf und soll DIR SELBST Spaß machen. Sobald Du Dir selbst was relevantes abschneiden musst, Dich selbst verleugnen sollst, vermeintlich dem Kind zuliebe, wirst Du diesen Verzicht früher oder später implizit dem Kind vorhalten. Und das Kind darf nicht in die Verantwortung für Dein eigenes Seelenheil geraten, das ist Dein eigener Job.
    Auch ganz banal interpretiert, Du brauchst keine Bücher vorlesen, die Du verabscheust und Du darfst auch ablehnen, Spiele zu spielen, die Dich annerven. Mach Dinge, die Dir wohltun und in Deinen Augen nötig sind und bezieh mit Freude Deine Kinder ein (Danke auch nochmal, Judith Polster 😀)

    • Maja

      Sehr schön! Mir hat es große Freude bereitet, die Frage zu lesen, die Antwort zu lesen sowie diesen Kommentar zu lesen.
      Elternschaft ist so irre! So irre schön, so irre anstrengend, so irre erfüllend. Und auch wir finden eine Menge Spaß an Familie. Spaß und Liebe trgrn uns alltäglich durch unsere wunderschönes Großstadtfamilienleben.