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Beratungsfrage2. Dezember 2025

Mein Kind will mit Waffen spielen

Mein Sohn (5 Jahre) liebt es Polizist und Dieb zu spielen. Dafür wünscht er sich nun eine Spielzeug-Pistole und einen Spielzeug-Schlagstock, wie die echten PolizistInnen. Ich tue mir sehr schwer mit seinem Wunsch. Waffen lösen bei mir ein komisches Gefühl aus und die Vorstellung, meinen Sohn damit spielen zu sehen, finde ich befremdlich. Aber ist es nicht so, dass im Spiel alles erlaubt ist und er sich im Spiel ausprobieren darf? Ich merke, je mehr Widerstand ich dagegen zeige, desto interessanter wird es für meinen Sohn.

Eine spannende Frage, auch für mich. Ich selbst war als friedensbewegter junger Vater der 1980er Jahre da alles andere als locker, das traf besonders unser erstes Kind, den Simon, der wie die meisten anderen Kinder natürlich auch mit Waffen „stark“ sein wollte. Sorry Simon, Eltern mit einer moralischen Mission sind sehr anstrengend. Aber du hast bestimmt den einen oder anderen Schlupfwinkel gefunden. 😉 Ab Nummer zwei (Jo) waren wir dann lockerer:

Aber zu deiner Frage.

Kinder spielen im Spiel nicht einfach nur nach, sie verarbeiten dabei auch, was sie beängstigt und schlüpfen dazu auch gern in die Rollen derer rein, die „für Ordnung“ sorgen. So erleben sie sich als stark und können ihre innere Welt immer wieder als stimmig erleben: der Dieb ist im Gefängnis gelandet. Und klar braucht man dazu auch Spielzeug-Waffen.

Werden Kinder durch das Spielen von Gewaltszenen abgestumpft oder “erlernen“ gar, Gewalt auszuüben? Diese Sorge kannst du von der Liste streichen. Kinder werden nicht dadurch aggressiv, dass sie im Spiel Aggression ausüben. Im Gegenteil, sie lernen dabei, wie sich Aggression anfühlt, was diese innere Macht auch „tun“ kann, im positiven, wie im negativen Sinn. Sie spüren in der Aggressionsausübung auch ihre eigene Macht, gleichzeitig müssen sie aber auch damit umgehen lernen, weil sonst das Spiel für alle nicht funktioniert…

Die Kinder verhandeln im Spiel untereinander also immer auch Grenzen und erfahren, wie die anderen reagieren. Und lernen dabei eben auch: wie sie mit ihren Handlungen „im Rahmen“ bleiben können. Also, dass sie eben auch Rücksicht auf die anderen nehmen müssen, auf deren Empfinden und deren Spielinteressen, weil sonst das Spiel schnell auseinanderfallen würde. Auch aggressives Spiel hat deshalb eine konstruktive, „soziale“ Komponente: Ja, ich verhafte den Dieb, aber ich muss dabei Grenzen berücksichtigen (und auch dafür sorgen, dass er wieder freikommt, für die nächste Runde). Das spricht sehr dafür, dass wir beim „aggressiven“ Spiel eben nicht nur die Oberfläche wahrnehmen, sondern auch den tieferen Zweck.

Und deshalb ist es auch nicht hilfreich, wenn wir das Waffenthema dann zu einem „großen Thema“ machen. Mit „groß“ meine ich: Dass wir das Thema auf eine moralische Ebene heben, und das dem Kind dann vermitteln (Strickmuster: „Waffen können Böses tun, und das wollen wir doch nicht, deshalb sind wir gegen Waffen.“ Oder: „Wir sind doch für den Frieden und wollen gut zu den Menschen sein…“). Das bringt dann nur Missverständnisse, weil die Waffen für dein Kind etwas Positives sind – immerhin kann man damit ja Verbrecher*innen stellen! Dein Kind fühlt sich trotzdem als „guter“ Mensch, auch wenn es einen Cowboy oder Cowgirl niederknallt.

Also: die Erwachsenen- und Kinderebene gilt es da auseinanderzuhalten. Denn wie schnell passiert es sonst, dass das Kind in einem „doublebind“ landet: ich finde da etwas ganz toll, was meine Eltern ganz schlimm finden… Ich will mich ausleben, aber da haut jemand immer auf die Bremse. Ich will das unbedingt machen, aber gleichzeitig doch auch meinen Eltern gefallen…

Das spricht nicht gegen Grenzen oder dagegen, dass du deine eigenen Bedürfnisse mit reinbringst. Wenn dich die Waffen stressen, nimm es wahr und schütze dich davor – zum Beispiel, indem du die Kämpfe woanders hin verlagerst. Oder jemand anderes das Geschenk aussuchen lässt. Und du darfst auch Stopp sagen, wenn Kinder in einem Spiel nach deinem Empfinden zu weit gehen! Es kommt dabei nur drauf an, dass du es gut vermittelst und die Kinder verstehen, dass sie nicht „falsch“ sind, sondern das einfach gerade für dich nicht passt. Das darf sein!

Bedürfnisorientierung ist ja auch ein Projekt für unsere Kinder – durch das sie zum Beispiel auch lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen. Und jede(r) von uns hat da seine eigene rote Linie. Manche kommen zum Beispiel mit selber gebastelten Waffen besser klar als mit den echt aussehenden aus dem Waffen- ähm Spielzeugladen.

Apropos echt, eine wahre Geschichte, damit ihr seht, wie sich die Zeiten geändert haben: Am Fasching im Jahr 1967 gingen zwei 7-jährige Jungs, von den anderen Kindern „die Renzle“ genannt, verkleidet zur Schule, natürlich als „Indianer“ – damals noch ohne Anführungszeichen, dafür mit rot gemalten Gesichtern. Mit dabei am Gürtel: eine echte Wehrmachtpistole.

Die hatten wir irgendwo im Haus gefunden, geladen war sie nicht, das Magazin klemmte, das weiß ich noch. Meine Eltern hatten damit kein Problem, auch interessant. Die anderen Kinder waren voller Bewunderung für das schwere Ding. Die Klassenlehrerin? Steckte meiner Mutter (die damals auch an der Schule arbeitete): die Renzle sollten die Pistole doch besser zuhause lassen. Das wars dann.

Aber zurück zu heute: Rollenspiele sind nach wie vor reichhaltige Entwicklungserfahrungen, bei denen vielfältige und wichtige Kompetenzen trainiert werden. Und das umso intensiver, je mehr “all in” sie sind – je mehr sie also in diese andere Welt eintauchen und in unterschiedliche Rollen schlüpfen.

Ich hoffe, diese Überlegungen unterstützen dich dabei, für eure Familie eine Antwort auf die Waffen-Frage zu finden. Jede Familie wird hier zu einer eigenen Lösung kommen – und das darf so sein. Die Kinder finden mit ihrer Fantasie dann sowieso irgendwelche Wege zu ihrem Ziel.

Als SPIEGEL-Bestseller hat »Mit Herz und Klarheit« bereits viele Eltern erreicht. Es zeigt verständlich und zugewandt, was Kinder heute brauchen – und wie Familienalltag leichter und liebevoller gelingen kann.
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6 Kommentare

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  • Jale

    So eine schöne Antwort! Ich freue mich schon so auf die Themenabende !! Wir haben Speere, Speerschleudern, Pfeil und Bogen, Zwillen und selber gemachte Schwerter. Das fiel mir leichter.
    Aber ich tue mich ja schwer mit Schmink- und Barbiezeug und manchen Kleidungsstücken. Es gibt ja Studien, dass so unnatürlich dünne Puppen das Körpergefühl negativ beeinflussen. Das gibt mir angesichts der ansteigenden Magersucht-Fälle schon sehr zu denken und das pathologisch-dünn als etwas Erstrebenswertes zu verankern, soll für mich einfach nicht so früh anfangen.
    Und: Ich finde es beängstigend, wie sehr manche Kleidungsstücke präpubertäre Mädchen sexualisiert wirken zu lassen und wie aggressiv das an die Kinder vermarktet wird. Angesichts dessen, dass jede 5. Frau bis zum 18. Geb sexuelle Gewalt erfährt. Und die Sozialisation von Mädchen ja immer noch in Richtung freundlich, sozial, fügsam, brav geht.
    Ich versuche das meinen Kindern in der Art zu erklären, dass das mein persönliches Missbehagen ist. Bei Barbie habe ich ihnen erklärt, dass jemand mit diesen Proportionen sehr krank ist und auf der Intensivstation oder im Pflegeheim wäre. Sie haben die normalgewichtigere und flachfüssigere Barbie zum Spielen, aber auch hier spreche ich mit ihnen drüber, was dabei mit dem Aussehen nicht stimmt.
    Das mit der Sexualisierung habe ich auch versucht, sehr kindgerecht zu erklären, nämlich, dass ich lieber Kleidung mag, die für die Kinder selbst gut ist, so dass man spielen toben und werkeln kann darin. Dass Kinderkleidung nicht zuerst dazu gemacht sein soll, Erwachsenen zu gefallen. (Das mit der körperlichen Selbstbestimmung von klein auf ging da natürlich voraus.)
    Aber echt, kein einfaches Thema…

  • Trockeneis

    Wir haben das Thema genutzt um den richtigen Umgang damit zu vermitteln und Dinge wie Mündungsbewusstsein, klingen zeigen zum Boden beim laufen, niemals ins Gesicht usw. zu etablieren. Ja, es ist eine (Spielzeug-)Waffe. Ja, das macht Spaß damit zu spielen. Aber auch hier gibt es Regeln die eingehalten werden müssen. Wie bei Feuer. Feuer kann gefährlich sein-wenn man sich falsch verhält. Hab ich deshalb keine Kerzen im Haus? Jetzt in der Adventszeit nur Elektro-adventskränze mit led Kerzen? Keine Messer im Haushalt? … Nein, ich bringe dem Kind die Gefahren bei und wie man es richtig handhabt.

    • Sumi

      Das mit den Barbies kann ich gurät verstehen, wir haben uns jetzt beim Puppenwunsch unserer nun 6-jährigen dazu entschlossen, ihr zwei Lottie-Puppen zu schenken. Die sind eher an neunjährigen Mädchen als Frauen orientiert und sind auch eher normal gekleidet und thematisch eher auf Bestärkung der Kinder ausgerichtet. Ich hatte sie uhr auch virher gezeigt, um zu klären, ob sie sie freuen würden und sie war begeistert. Es gibt auch Reiterin, Ballerina, Meejungfrau, aber auch Umweltaktivistin usw. Ich fand die alle süß gemacht. Sie hat sich auch super gefreut. Von der Qualität der Materialien habe ich irgendwie das Gefühl, meine Barbies waren etwas besser. Aber mein Kind merkt da null Unterschied. Sie freut sich auch über die billigste Plastikpuppe vom Jahrmarkt. Und bei den Lotties hatte ich auch ethisch ein etwas besseres Gefühl. Es gibt auch noch andere Alternativen, die ich in der Auswahl hatte. Solange der Barbie-Hype noch nicht oder nicht voll Einzug gehalten hat, ist da sicher was mit zu reißen ^^

      Was Waffen angeht, bin ich gespannt, ob da mit unserem zweiten Kind noch mal schwierige Fragen auftauchen.

  • Friedo Pagel

    Auch als Pazifist lernt man sein Leben lang dazu.

    Damals, Anfang der 80er, ausgehend von Degenhardts “Befragung eines Kriegsdienstverweigerers”, haben wir auch unserem ältesten Sohn keine Waffen-Spielzeuge gekauft. Und auch bzgl. des klassisch männlichen Rollenbildes meinten wir ja erzieherisch eingreifen zu können. Also hat er zu Weihnachten mit 5 eine schöne große Puppe bekommen.

    Folge:
    Die fehlenden Waffen waren kein Problem, lassen sich ja locker mit Legos zusammenbauen.
    Auch die Puppe ist gut angekommen, allerdings auch da etwas anders als gedacht. Er hat sich auch meinem Werkzeugkasten einen Bohrer geholt und Zahnarzt gespielt.

    Mit seinen Brüdern waren wir später gelassener.

    Spätere Einschätzung: Jungen sind eben nicht gleich Mädchen. Ein paar Jahre später wird man als Eltern von Jungen in der Schule u.U. noch ganz auf der anderen Seite landen. Man muss sie dauernd bzgl. Kritik an ihren angeblich schlechten Lern- und Sozialverhalten schützen, gegenüber Leuten, die selbst keine Jungen haben.

    Mit Veranlagungen erziehen und nicht gegen Veranlagungen. Es geht nicht darum, völlig aggressionsfreies Leben zu lernen (das geht ohnehin nicht durch Kommandos, sondern nur durch Vorbild von Eltern und direktem Umfeld, sowie durch bestmögliche Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes), sondern wo die Aggression ihre Grenzen finden muss, nämlich an den anderen, und zwar physisch und psychisch.

    Ich erinnere mich, als Kind haben wir jedes Jahr eine Glucke gesetzt. Und noch bevor den männlichen Küken anfing, der Kamm zu wachsen, konnte man sehen, wer mal ein Hahn wird. Beim Spiel hüpften die schon ständig gegeneinander. Bereits zu einer Zeit, wo sie noch keinem anderen Huhn außer ihrer eigenen Glucke und ihren Geschwistern begegnet waren.

    • Anna Maria

      Es gibt Untersuchungen aus den 60er/70er Jahren über das Verhalten von Müttern beim Stilleln ihrer Kinder. Beobachtungen – aus Italien, Frankreich, Deutschland: Mädchen werden kürzer anglegt, Mütter warteten nicht, bis ihr weiblicher Säugling deutlich satt und zufrieden ist und deutlich fertig ist mit dem Stillen, sondern haben eher eine innere Uhr dabei und beenden die Stillmahlzeit von sich aus. Bei männlichen Säuglingen warteten die Mütter, bis der Säugling von sich aus nicht mehr saugte, ließen ihn angekuschelt länger an der Brust, etc pp.
      Das heisst, wir Mütter fangen schon beim Säugling an: Mädchen müssen sich fügen, werden eher abgelegt, Jungen dürfen sich ausbreiten und die Zeit nehmen, die sie brauchen.
      Ich weiß gerade nicht, ob es da schon aktuelle Untersuchungen gibt. In den Frauengruppen der End-60er / dann 70er Jahre gab es halt den Impuls, dass wir uns selbst als Frauen und Mütter beoabchten, wie wir Jungs und Mädchen “machen”.

  • FranziskaR

    Vielen Dank erstmal an die:den Fragesteller:in. Das wird hier jetzt auch immer mehr Thema, zumal gerade Piraten bei unserem Sohn hier in sind.

    Danke auch für die tolle Antwort und Einordnung an HRP. Das hilft mir persönlich immer sehr Dinge viel gelassener zu sehen.

    Wir sind zu Hause zu dem Entschluss gekommen, dass Spielzeugwaffen, die auch so aussehen, in Ordnung sind (bunte Wasserpistole, Holzschwert), Nachbildungen von echten Waffen jedoch nicht. Auch weil es da im Umkreis schon zu Problemen mit Polizei und co. kam, ja auch in Zusammenhang mit Kindern/Jugendlichen.

    Auch das lernen des “Umganges” mit Waffen wird hier vermittelt. Nicht auf Menschen oder Tiere zielen (außer im Rollenspiel), nicht in Gesicht schießen usw.

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