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Beratungsfrage

Wie viel muss ein Kind trinken?

Lieber Herr Renz-Polster,
Vor lauter Spiel und Freunde bringt unsere Anouk mittags phasenweise eine noch fast volle Trinkflasche mit heim. 'Ich habe es vergessen!' sagt sie uns dann. Wir verstehen, dass man nicht den ganzen Vormittag die Flaschen hinter den Kindern hertragen kann. Aber wir fänden es doch auch gut, wenn sie gut trinkt. Natürlich ohne Zwang! Aber wie viel soll denn mein Kind mindestens trinken?

Danke, wenn das nur so einfach wäre! Wie viel genau Kinder trinken „sollen“, ist nämlich unglaublich schwer in eine Formel zu packen. Auch gibt es dazu kaum verlässliche wissenschaftliche Untersuchungen 😉

Die „offiziellen“ Empfehlungen sind deshalb mehr oder weniger willkürlich. Laut Empfehlungen der WHO und der EFSA (European Food Safety Authority) sollten Kleinkinder auf eine „Gesamtwasserzufuhr“ (dazu gleich mehr) von 1,3 Liter pro Tag kommen, Grundschulkinder auf 1,6 (Mädchen) oder 1,7 Liter (Jungs). Für die älteren Kinder und Jugendlichen gehen die Empfehlungen der Experten dann grob durcheinander – von 1,9 Liter bis 3,3 Liter pro Tag. Immerhin sind sie sich darin einig: Es gibt keine gute Methode, um die optimale Trinkmenge für freilebende Kinder zu bestimmen (stellen dann aber fest, dass wahrscheinlich die meisten Kinder zu wenig trinken – was wiederum ein Zirkelschluss sein könnte).

Wichtig, dass Du auch das berücksichtigst: diese Zahlen beziehen sich auf die *Gesamtwasserzufuhr*. Und die kommt nicht nur von den getrunkenen Flüssigkeiten, sondern auch von der „festen“ Nahrung, die ja auch Wasser enthält. Da kommen im Schnitt immerhin 30-40 % des täglichen Gesamtwassers zusammen! Wobei dieser Anteil von Familie zu Familie sehr schwankt – nämlich zwischen 14 % und 42 % (einmal kommt vielleicht eher Vogelfutter auf den Tisch, ein andermal eher Suppe).

Zum zweiten schwankt der Wasserbedarf immer auch je nach Aktivität, Umgebungstemperatur, Ernährung und auch Geschlecht (deshalb gelten die obigen Angaben z.B. für „mittleres Aktivitätsniveau“ bei „mittleren Temperaturen“ 😉)

Alles ist wieder einmal: sehr individuell!

Was so getrunken wird: Reines Wasser macht meist nur den kleineren Teil der Flüssigkeitszufuhr bei Kindergarten und Schulkindern aus (nämlich je nach Land nur 15 bis etwa 60 % der getrunkenen Flüssigkeiten – in Deutschland je nach Studie 30 bis 50 %). Aber das reine Wasser löscht den Durst natürlich am Besten (und da ist Hahnenwasser übrigens ernährungsphysiologisch für Kinder besser geeignet als jedes „Mineral“-Wasser, und zudem hygienisch 100 % sicher – und fast umsonst!). Säfte, gesüßte Getränke und Milch enthalten zwar auch Wasser (zwischen 80 und 90 %), aber eben auch unterschiedlich viele Kalorien (was per se nicht schlimm ist, aber wir sollten das trotzdem auf dem Radar haben). Deshalb: Milch in Maßen und auch ab und zu ein ungezuckerter Saft sind kein Problem. Aber eben nicht als Routine um den Durst zu stillen oder als „Hauptgetränk“.

Jetzt aber zur Frage: Trinkt mein Kind genug? Leider gibt es dazu keinen guten Test. Die Häufigkeit des Wasserlassens zum Beispiel wird von so vielen Faktoren beeinflusst, dass du daraus – abgesehen von Krankheitsphasen – wenig ablesen kannst. Ganz grob kann man die Urinfarbe als Maß betrachten: Ist der Urin dauerhaft dunkel, könnte das auf eine eher geringe Flüssigkeitszufuhr hindeuten.

Ansonsten: Betrachte es als normal, dass mal mehr, mal weniger getrunken wird. Einmal bewegt sich Dein Kind vielleicht mehr, ein ander Mal weniger, einmal ist es warm – oder kalt (beides erhöht den Wasserbedarf). Entsprechend weniger wird in den Übergangsjahreszeiten konsumiert. Und einmal wird vielleicht schon deshalb weniger getrunken, weil in der Kita so viel Spannendes los ist.

Denn interessant an den Studien bei Kindern ist auch das: Wie viel Kinder trinken, hat mit ihrem Durst wenig zu tun (nur ein kleiner Teil der Gesamtwasserzufuhr geschieht, weil damit Durst gelöscht wird).  Viel entscheidender sind die Routinen – das Glas Wasser zum Essen, der Tee aus der Thermoskanne beim gemütlichen Sitzen am Feuer in der Wald-Kita, die heiße Schokolade nach einem anstrengenden Schultag.

Apropos Schule: Studien zeigen, dass die Kinder dort nur sehr wenig trinken (nämlich nur 14 % der täglich konsumierten Flüssigkeit). Also: je länger die Kinder in der Schule sind, desto mehr sind sie auf die Flüssigkeitszufahr zuhause oder in der Freizeit angewiesen.

Trinken Kinder mehr, wenn man sie immer wieder ans Trinken erinnert? Worte sind, wie wir wissen, oft nicht sehr effektiv (und manchmal eher nervig). Eine sehr aufwändige Studie belegt das für die SchülerInnen: Sie aktiv durch Erinnerungen zum Trinken zu motivieren hatte keinerlei Einfluss auf die getrunkene Gesamtmenge! (Effektiver ist es, gut zugängliche und attraktive Wasserquellen aufzustellen). Und das dürfte auch für zuhause gelten: Da dürften die Routinen (zu welcher Gelegenheit eben typischerweise auch etwas getrunken wird) deutlich entscheidender sein.

Aber eine wichtige Frage habe ich jetzt noch gar nicht beantwortet: Ist das schlimm, wenn Kinder „wenig“ trinken (so schwer das zu definieren ist)? Da wird oft sehr plakativ argumentiert von wegen: sonst gehen die Nieren kaputt. Oder es bilden sich Nierensteine. Oder Verstopfung. Für all diese *chronischen* Probleme gibt es aber wissenschaftlich kaum – und wenn dann widersprüchliche – Hinweise. Also in diese Richtung würde ich entspannen.

Schon spannender sind die Studien, die zeigen, dass eine gute Flüssigkeitszufuhr Kinder kognitiv leistungsfähiger machen könnte. KönnTE, wohlgemerkt, denn zum einen zeigen manche Studien überraschend wenig Benefit von „mehr Trinken“ – etwa auf die Schulleistungen. Eine deutsche Studie sieht zwar beim Trinken moderater Mengen eine bessere Leistungsfähigkeit, bei großen Mengen (z.B. mehr als 1 Liter an einem Schulhalbtag) dann aber wieder abfallende Leistungen.

Immerhin das ist sicher: Trinken wie blöd ist nicht die Lösung. (Das gilt auch für Erwachsene: Marathonläufer, die bewusst viel trinken statt nur den Durst zu stillen schneiden schlechter ab, das zeigt ein Experiment beim Boston-Marathon).

Also: wenn Du eines hier mitnehmen kannst, dann das: In aller Regel  darfst Du darauf vertrauen, dass Dein Kind den Weg von Wasserloch zu Wasserloch gut findet. Da darf dann gerne als „Routine“ auch reines Wasser drin sein. Ansonsten sehe ich eher Grund zur Entspannung an der Trinkflaschenfront.

 

Spannendes zur Gesundheit der Kinder gibt es übrigens in meinem Buch „Gesundheit für Kinder“ – DAS Standardwerk für Familien 🙂

Zu diesem Beitrag will ich gerne auf mein Buch „Gesundheit für Kinder" hinweisen: "Kinderkrankheiten verhüten, erkennen, behandeln". Es hat sich im deutschsprachigen Raum als DAS umfassende Nachschlagewerk zur Kindergesundheit etabliert. In unserem Shop mit Signatur und Widmung erhältlich.
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1 Kommentar

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  • Lin

    Danke für die Infos und die herrlich entspannte Art, auch mit diesem Thema umzugehen. Das Wort „Vogelfutter“ wird bei uns in der Familie auch verwendet, allerdings für die blöden, blöden Körner auf dem Brot, die meine Tochter wirklich stören! 😀 😀 Musste sehr schmunzeln. Beste Grüße! Eine Vogelfuttermutter