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Beratungsfrage

Qual der Wahl: Oma oder Krippe?

Lieber Herr Dr. Renz-Polster, ich lese gerade mit großer Begeisterung Ihr neues Buch! Meine zweite Tochter benötigt mit 1,5 Jahren Betreuung. Die Oma (Opa ist auch anwesend) steht liebevoll und zugewandt zur Verfügung. Allerdings sehe ich die Ernährungsgewohnheiten der Oma sehr kritisch (viel Bratwurst, Zucker, Fett, zu viel insgesamt… klärende Gespräche sind leider sinnlos). Dies führte bei meiner ersten Tochter zu täglichen Konflikten zwischen Oma und mir. Die Oma hinterfragt außerdem meine Kompetenz als Mutter und das nervt mich!

Nun gibt es auch die Möglichkeit einer Krippenbetreuung, die ich aber auch nicht als optimal empfinde. Kann man sagen, was mehr „Schaden“ zufügt: katastrophale Ernährung oder emotional „schlechte“ Betreuung (genau jene, die Sie im Buch beschreiben)? Ich freue mich, wenn Sie Zeit für eine Antwort finden. Herzlichen Dank!

Mein Rat ist eindeutig: Lass Dein Kind bei der Oma betreuen. Und betrachte das auch als Beginn eines Weges in deiner eigenen Beziehung zu ihr.

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Erstens, allgemein: Was die außerfamiliäre Betreuung angeht, so ist Dein Kind mit 1,5 Jahren noch stärker als später darauf angewiesen, dass es gut betreut wird. Wir unterschätzen manchmal, wie vulnerabel ein Kind in diesem Alter ist und wie arg es Beziehungs- und Bindungskonstanz braucht – einfach, weil kleine Kinder mit Stress noch gar nicht gut umgehen können. Eine unzureichende außerfamiliäre Betreuung ist deshalb tatsächlich ein Entwicklungsrisiko. Und das gilt leider auch für die „so la la“-Betreuung. Und die macht, so bitter es ist, den Hauptteil des Angebots aus.

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Was ist nun schlimmer: Schlechte Ernährung oder schlechte seelische Erfahrungen?

Ich sehe es so: Du kannst als Kind viel Bratwurst etc. essen und trotzdem später gesund sein, denn Dein Kind hat ja als überwiegende Ernährung trotzdem Eure Familienkost. Gut, es wird für Deine Tochter bei Oma dann zum Mittagessen Bratwurst geben und Kekse dazu, aber es ist nicht das Haupt-Motiv ihrer Ernährung. Zudem wirkt schlechte Ernährung stark auch über das Zusammenspiel mit anderen ungünstigen Erfahrungen: wenig Bewegung, wenig Draußen-Sein, wenig fröhliches Miteinander (das ist in etwa wie bei den Erwachsenen: die Ernährung, die ein Holzfäller locker wegsteckt ist für den Büromenschen ein Problem). Also: zuhause Zähnchen putzen, weiter nach Eurer Art leben.

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Kann ich Dir nun versprechen, dass die ungesunde Kost sozusagen spurenlos bleibt? Nein, das kann ich nicht, niemand kann das. Aber es ist ernährungsphysiologisch schon so, dass es einen deutlichen Unterschied macht, ob ein Kind immer der gleichen ungesunden Kost ausgesetzt ist – oder ob diese einer ansonsten ausgewogenen Kost lediglich „hinzugemischt“ ist. Man weiß das etwa aus Studien am Mikrobiom des Darms (allerdings bei Mäusen, da ist so was einfacher zu messen 😉): ist die Ernährung ansonsten gesund, dann ändert eine fettreiche „ungesunde Kost“ daran viel weniger als wenn diese die einzige zugeführte Kost ist.

Bei den seelischen Belastungen dagegen ist es so: Wenn es schlecht läuft, können sie durchaus ein Maß erreichen, in dem sie nur schwer wieder „wegzukriegen“ sind. Sie belasten dein Kind dann in seiner Entwicklung als Persönlichkeit. Und das ist das was uns Menschen ausmacht.

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Wichtig für Dich ist das: Dein Kind wird die bei der Oma erfahrenen Essensroutine nicht auf Euer Setting zuhause übertragen – also dann etwa erwarten, dass es dann auch zuhause Schokokekse etc. gibt. Das musst Du Dir auch wirklich immer wieder sagen, denn sonst begegnest Du der Oma immer mit Stress. Und dann gibt es IMMER Streit!

Schon die Kleinkinder betreiben nämlich eine getrennte soziale Buchführung: Aha, bei Omaopa wird am Tisch gebetet, und bei Mamapapa nicht. Bei Oma isst man dieses und jenes, bei Papamama nicht. Also Du darfst keine Angst haben, dein Kind würde da jetzt moralisch oder in seinen Erwartungen irgendwie kontaminiert oder verdorben! Wo Kinder mit Herz und Klarheit begleitet werden, schaffen die Kinder diesen Wechsel locker!

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Und genau das ist jetzt auch eure Aufgabe als Erwachsene! Diese Aufgabe ist leider schwerer und dauert länger sie zu erledigen, weil sie eingeübt werden muss. Die Oma macht vieles anders als Du, das Dir Wichtigste aber macht sie toll. Und Du darfst Sie das spüren lassen (Du darfst es ihr auch sagen). Dass sie manches nicht so macht, wie Du es gut findest, darf diesen (Haupt)-Punkt nicht schmälern oder entwerten. Das ist nicht einfach, denn Du hast es ja tatsächlich mit einer Oma zu tun, die für Dich zwei Seiten hat. Die eine findest Du gut, die andere nicht. Das muss man erst mal aushalten können.

Aber das kann der erste Schritt sein, dass auch dein Gegenüber (hier: Omaopa) zu Dir lockerer sein kann. Denn bei der Oma ist es ja ähnlich: Sie findet auch bei Dir manches okay und anderes nicht okay. Kann man die Okay-Seite anerkennen, dann wirkt das wie eine Einladung mit dem Rest besser umzugehen oder ihn zumindest nicht zur Verletzung zu verwenden.

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Das hinzukriegen ist aber sicher kein 100-Meter-Lauf sondern eher ein Langstreckenlauf. Denn bei Euch kommt ja noch hinzu, dass die Oma Dich tatsächlich verletzt und kränkt (wäre interessant, ob sie das umgekehrt auch behaupten würde?). Und das ist schwer aufzufangen. Gut, wenn Du Dich mit einem guten, schützenden Blick auf Dich selbst wappnest (ich bin aber eine kompetente Mutter, von wem sie wohl redet)? Und wenn Ihr offen kommuniziert. Die Oma darf wissen, dass Dir gesunde Ernährung wichtig ist. Und dass für Dich Streiten vor dem Kind nicht in Frage kommt. Damit an diesen Punkten nicht immer wieder Streit entsteht, müsst Ihr Vertrauen aufbauen. Und da würdest am Besten Du den ersten Schritt machen, indem Du ihr auch das Positive kommunizierst, nämlich, dass Du froh bist, dass sie gut mit deiner Tochter kann.

Und dann probiert Ihr hartnäckig, was geht. Alles Gute und Danke!

"Mit Herz und Klarheit – Wie Erziehung heute gelingt und was eine gute Kindheit ausmacht" ist soeben erschienen. Dieses Buch ist ein Wegweiser für eine erfüllende und gelingende bedürfnisorientierte Familienzeit.
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12 Kommentare

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  • Monika K.

    In einem guten Film habe ich einmal gesehen, dass Bindung identisch ist mit Bildung. Also soo wichtig ist verlässliche Bindung. Das kann eine Krippe gar nicht leisten. Und in der Krippe gibt es genau dieselben Kritikpunkte, die man bei jeder anderen Person findet. Ich wäre froh und dankbar, wenn ich eine Oma hätte, die solch einen nicht unerheblichen Dienst leistet. Beste Wünsche.

  • Kati Cysarek

    Das sind sehr gute Punkte hier, danke dafür! Mir fehlt da noch ein Punkt – die Persönlichkeit des Kindes. Manche Kinder haben schon mit 10 Monaten so große Sehnsucht nach der Welt da draußen, dass sie mit einem Jahr auch eine mittelmäßig Krippe gut ertragen, ja, sie sogar fast schon irgendwie einfordern.

    Vielen Kindern würde die Oma wohl reichen, manchen aber überhaupt nicht (dazu zählte eins meiner Kinder), die scheinen die vielen zusätzlichen Personen in ihrem Leben zu brauchen.

    Ich persönlich würde es darum anders herum versuchen – die Eingewöhnungszeit mit dem Kind in der Krippe verbringen und spüren, ob das ein guter Ort sein könnte, ob mein Kind hineinpasst und ob es Freude daran hat. Wenn nicht, dann zur Omma 😀

    Einen lieben Gruß, Kati

  • Jessica B.

    Damals dachte ich auch du gibst unseren Sohn mit 2 Jahren in die Krippe. Er ist ein Einzelkind und ich dachte, er müsste mehr Kontakt mit Altersgenossen haben. Kurz bevor die Entscheidung anstand, traf ich die Mutter meiner ehemaligen Freundin. Wir kamen ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie inzwischen in einer Krippe arbeitet. Ich erzählte ihr von meiner Idee, unseren Sohn mit 2 Jahren in die Krippe zu geben, damit er mehr Kontakt zu Kindern bekommt. Ihre Antwort überraschte mich sehr. Sie sagte mir, wenn du eine Oma/Opa hast, die ihn betreuen kann, mach das. Die Welt ist bei ihr spannend genug. Sie selbst erzählte, dass sie gern mehr Zeit für die Kinder hätte, was aber nicht geht. Was soll ich sagen, genau so haben wir es gemacht und es war für ihn super. Das ist jetzt 9 Jahre her und unser Sohn hat eine sehr enge Bindung zu meinen Eltern. Natürlich finde ich auch nicht alles super was sie machen, aber ich habe gelernt Dinge anzusprechen oder die Kirche im Dorf zu lassen. Meine Sorgen von damals waren umsonst. Er hat sich zu einem sehr geselligen Kind entwickelt. Meine Mutter macht jeden Quatsch mit und bleibt wahrscheinlich so auch fit.

    • Ella N.

      Eine Tagesmutter wäre auch eine wunderbare Alternative gewesen.

      • Jessica B.

        Darauf bin ich damals nicht gekommen. Aber ich stimme zu, wenn man jemanden gefunden hätte, mit dem es harmoniert hätte.

  • Jale

    Danke, wieder so eine schöne Anwort! 🙂
    Ich kenne jetzt von ich sag mal 20-30 Kleinkindern, die ich jetzt intensiv miterlebt habe EINES, für das sich ab 14 Monate Krippe total stimmig anfühlte (nicht mein Kind 😉 ).
    Das war sehr robust, sehr gesellig, ein freundlicher, unkomplizierter Junge und unkritischer Esser. Da sagte dann auch die Erzieherin: Ah, wie toll, endlich mal eine leichte Eingewöhnung!
    Man muss dazu sagen, dass das in einer guten Stadt eine von den guten Kitas ist.
    (Bei meinen Kindern hätte das nicht geklappt. Die Große ist auch robust, freundlich, raffiniert, aber mit 1,5j waren die anderen Kinder nur da, um deren Spielsachen haben zu wollen. Die Kleine: Tendentiell hochsensibel. Die wäre untergegangen!)
    Wenn ich denke, was meine Großeltern “schlechter” gemacht haben als meine Eltern – da war so viel Gutes dabei, das hat es mehr als aufgewogen und ich bin sehr dankbar, dass ich das noch miterleben durfte. Und meine Großeltern waren schon noch sehr “alte Schule”!

  • Jale

    das wollte ich unbedingt noch sagen:
    ICH WÜNSCHE MIR DIE DIENSTAGSKOLUMNE ALS BUCH !! 😀

  • Yvonne A.

    Sehr schöner Beitrag!

  • Lowina

    Und wie sieht es aus, wenn die Oma eine sehr schwierige Seite hat? Sie kann an einem Tag herzallerliebst sein und am anderen gemein und verletzend. Das ist sie leider nicht nur ihren erwachsenen Mitmenschen gegenüber sondern auch ihrer Enkelin, indem sie ihr gegenüber bestimmte Dinge sagt: Dein Kindergarten gefällt mir nicht, weil du danach nach Mittagessen stinkst. Oder: Du brauchst eine Zahnspange, deine Zähne stehen zu eng zusammen (mein Kind ist sechs Jahre alt)! Oder: Was hast Du heute für ein Gewand an, das macht Dich ganz blass … meine Tochter muss oft auch mehr essen als sie kann / mag …
    Die Sätze verletzen mein Kind – man kann das meiner Mutter aber auch nicht sagen, da sie selbst auf Kritik wie ein Kleinkind reagiert und beleidigt ist bzw beleidigend wird.
    Ich habe oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich mein Kind bei meiner Mutter lasse, aber manchmal geht es einfach anders nur schwer.

    • Mariengold

      Hallo Lowina, bei dieser Oma sehe ich die psychische Gesundheit deines Kindes in Gefahr und würde die Zeit bei ihr sehr sehr stark einschränken! Wir als reflektierte Erwachsene wissen, dass das Problem hier bei der Oma liegt, dein Kind glaubt ihr aber. Bei mir war es so, dass mein Stiefvater u.a. meine Knöchel zu dick fand und das auch so sagte. Ich denke das heute auch immer noch.. Es gibt Sätze, die bleiben hängen. Und das sollten doch bitte überwiegend Positive sein!! Alles Liebe♡

  • Ella N.

    Leider werden Tagesmütter gar nicht erwähnt oder in Betracht gezogen. Sehr schade!
    Kleine Gruppen mit max 5 Kindern und individueller Betreuung.
    Viele sind ausgebildete Erzieherinnen.
    Fortbildungen, Erste Hilfe Kurs, Kontrolle vom JA usw sind selbstverständlich.

  • Barbara L.

    Wer sagt denn, dass die Ernährung in der Krippe besser / gesünder wäre? Ich arbeite in der Familienbegleitung und höre von vielen Familien Kritik am Essensangebot der Kita – zu süß, zu fettig, zu viel Fleisch und gesüßte Milchprodukte, außerdem für Kleinkinder wenig ansprechend zubereitet. Wenn zuallererst auf den Preis geschaut werden muss, ist da oft auch keine so hohe Qualität zu erwarten.

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