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Beratungsfrage

Gehören Tränen zur Eingewöhnung dazu?

Fast alle Mütter und Väter leiden, wenn sie ein weinendes Kind in der Kita zurücklassen. Trotzdem scheint es eine akzeptierte Tatsache zu sein, dass Kinder bei der Eingewöhnung eben weinen müssen. Es heißt dann: Das sei Zeichen einer gesunden Bindung. Solange die Kinder sich dann wieder trösten lassen sei alles gut. Ich frage mich, stimmt das denn?

Ich finde nicht, dass die Trennung weh tun muss oder dass das Weinen per se gut und richtig ist. Das Ziel der Eingewöhnung ist ja eigentlich, dass sich das Kind von sich aus trennen kann, und das bedeutet: ohne großen inneren Aufruhr.

Ich finde aber auch nicht, dass Weinen nicht sein darf und tunlichst zu vermeiden wäre. Weder beim Kind noch bei seinen Eltern. Kleine Kinder und ihre Mamas und Papas dürfen Trennungsschmerz empfinden und sie *dürfen* auch weinen – und der Übergang in die Kita kann trotzdem okay sein. Denn ja, manchmal überfordert die Trennung das Kind, das zeigt sich dann aber an mehr als nur an seinem Trennungsschmerz.

Manchmal ist es aber auch so, dass das Kind eigentlich bereit ist für die Kita, dort sich gut aufgehoben fühlt – aber dann ist der Abschied eben doch überwältigend. Weil das Kind seine Mama oder Papa doch so sehr mag und daran erinnert wird, wenn es an die Trennung geht. Und im Hier und Jetzt dann doch lieber bei ihnen bleiben will. Vielleicht kennt Ihr das selbst von Trennungen auch im Erwachsenenalter? Ich jedenfalls kenne es – man „muss” (oder will) auf eine Reise gehen, aber puuh, wenn es dann an den Abschied geht, wird einem das Herz so schwer, dass man doch am Liebsten da bleiben würde. Ist man dann mal im Zug, ist es okay, man kriegt den Bindungsgummi wieder entspannt – und kommt irgendwann freudig zurück und vielleicht sogar bereichert.

Das ist bei Kindern auch so. Der Weg ist vielleicht bereitet (weil die Kita toll ist, weil man die Erzieherinnen und die anderen Kinder mag etc.), aber beim ersten Schritt zieht sich dem Kind dann doch das Herz zusammen. Man kann in diesem Fall auch von einer Ambivalenz sprechen. Das Kind signalisiert einerseits: ach ich würde gerne bei meiner Mama/Papa bleiben. Es hat aber auch eine Neigung zu der anderen Welt (hier eben die Kita). Das ist die andere Seite der Ambivalenz. Und, wenn es gut läuft, wird es vielleicht feststellen: Macht Spass, das kriege ich hin! Auch wenn mir die Mama fehlt und ich mich manchmal doll nach ihr sehne.

Das heisst: ich habe eine Verbindung, ich spüre sie. Und ich habe ja Unterstützung: mir wird auch geholfen, dass ich nicht in meinem Schmerz versinke. Ja, da sind Tränen, aber die Welt ist trotzdem in Ordnung. Denn die Tränen stehen nicht für Angst oder für echte Verlassenheit, sie stehen für traurig-sein. Und Kinder dürfen traurig sein, finde ich. Und auch Kinder können mit ihrem Schmerz umgehen, wenn sie damit nicht allein gelassen werden, sondern so viel Schutz erfahren, dass sie dann wieder fröhlich, mutig und selbstgewiss sein können.

Und das gilt auch für die andere Seite der Eierschale, also die Eltern, die eine Trennung von ihrem Kind oft traurig macht. Das heißt nicht, dass wir Kindern alles zumuten dürfen oder das Weinen glorifizieren sollten. Wir müssen auf den Unterschied zwischen dem ‘süßen’ Schmerz und dem ‘bitteren’ Schmerz achten. Trennungsschmerz überfordert nicht per se das Kind, aber Trennung kann überfordern, wenn das Kind sich dann nicht mit Trost und Sicherheit versorgen kann (etwa wenn es in einer Kita sich nicht wohl und gut aufgehoben fühlt). Den Unterscheid zu erkennen ist wichtig und eine pädagogische Aufgabe, die sich nicht durch Geschwätz bewältigen lässt wie etwa „Weinen gehört zur Eingewöhnung“ oder „die Mutter kann sich nicht trennen“ und so weiter.

Der Unterschied zeigt sich am kindlichen Verhalten – und zwar nicht einfach daran, dass das Kind dann aufhört zu weinen wenn die Mama oder der Papa weg ist (welche Wahl hat es denn: 5 Stunden weinen?) – sondern wie es seine Emotionen lebt, wie es spielt, wie fröhlich und initiativ es sein kann, wie gut es auch entspannen kann statt ‚gestresst‘ durch den Tag zu hampeln.

Ich sehe es also so: Trennungsschmerz ist ein normales Phänomen in einem funktionierenden Bindungssystem. Und was aus ihm wird, und was er langfristig für das Kind bedeutet, hängt davon ab wie wir damit umgehen: ob wir ihn von Verzweiflung unterscheiden können und ob wir ihn ‚begleiten‘ können. Etwa durch Offenheit: ja, auch ich als Mutter oder Vater bin jetzt ein bisschen traurig. Das ist ein viel ehrlicheres Signal als: Ich darf jetzt nur keinen Kummer zeigen, sonst kann sich mein Kind nicht von mir trennen. Zu dieser Offenheit gehört auch, dann zu erkennen, wenn ein Kind zwar doll versucht sich zu trennen, aber eben noch nicht reif dafür ist. Dann wird das beständig aktivierte Bindungssystem zu einer Entwicklungslast – und dann gilt es eine andere Lösung zu finden – ein anderes Betreuungsarrangement etwa oder vielleicht einen Versuch zu einem späteren Zeitpunkt.

1 Kommentar

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  • Edi

    Ich habe drei Kinder und keines hat bei oder nach der Eingewöhnung jemals geweint. Das war mir sehr wichtig. Bei Tränen hätte ich sofort abgebrochen und einen späteren Zeitpunkt gewählt. Ich habe aber im Vorfeld darauf geachtet, dass die Kinder reif genug für eine Trennung sind. Das war bei den Jungs mit knapp zwei Jahren und bei meiner Tochter mit etwas über 2 Jahren der Fall. Das erste Jahr habe ich meine Kinder täglich nur für 3 Stunden in die Krippe gebracht und dann sukzessive erweitert, sobald der Wunsch dazu von den Kindern kam. Falls ein Kind mal einen Durchhänger hatte und nicht in den Kindergarten wollte, habe ich nie darauf bestanden. Dies ist aber (wahrscheinlich genau deshalb) maximal 1x pro Jahr passiert. Meine Kinder mussten sich nie abgeschoben vorkommen, sondern für sie war es immer etwas tolles, in einer Betreuungseinrichtung zu sein. Jetzt sind meine älteren Kinder schon am Ende der Grundschule, sind emotional stabil, sehr reif für ihr Alter, lieben Fremdbetreuung, gehen dort sehr gerne hin und sind einfach sehr unkompliziert im Umgang. Es lohnt sich meiner Erfahrung nach fürs ganze Leben, am Anfang sehr behutsam zu starten