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Kombiniere deine Wunsch-Vorträge und sichere dir 35 % Rabatt.Mama Verreist: Kann ich meinem Kleinkind die Trennung zumuten?

Meine Tochter ist 2 Jahre alt. Nun soll ich als Lehrerin in diesem Jahr zwei Klassenreisen begleiten. Sie schläft aber im Bett bislang nur mit mir ein und weiter (mit Stillen, welches wir beide noch sehr mögen). Sie wacht häufig nachts auf und akzeptiert Papa dann nicht. Wir waren noch keine Nacht getrennt. Was soll mein Kind denken, wenn ich auf einmal tagelang weg bin?
Zum Hintergrund: Vor einem Jahr ist meine Tochter mit 14 Monaten in der Krippe eingewöhnt worden. Für mich war das ein sehr schwieriger, schmerzhafter Prozess, da ich die intensive Babyzeit sehr genossen habe und es für mich ganz wichtig war/ist, immer für sie da zu sein.
Die Eingewöhnung und der kurz darauf folgende Wiedereinstieg in den Job haben mir schwer zu schaffen gemacht. Ich habe monatelang eine solche Trauer über den verlorenen gemeinsamen Tagesablauf und die enge Verbindung empfunden und hatte auch Angst, dass es unserer Bindung und ihrer emotionalen Gesundheit schadet, wenn ich plötzlich nicht mehr ständig verfügbar bin.
Mittlerweile geht es mir wieder besser, dennoch treibt mich die Frage nach der eigenen Verfügbarkeit und der Auswirkung auf die Bindung zu meiner Tochter immer noch um.
Auch das belastet mich: Ich möchte das nicht vorher üben müssen mit dem Druck, dass es bis zu meiner Abreise "klappen" muss. Wenn ich es im Kollegium anspreche, wird mir nur gesagt, dass es dann schon irgendwie klappen werde und ich halt loslassen müsse. Es fühlt sich für mich so falsch an. Ich würde mich sehr über einen Rat freuen, denn ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich machen soll.
Danke, und wie verständlich, dass du dich mit dieser Entscheidung quälst!
Ich will versuchen, deinem Zwiespalt mit ZWEI Antworten gerecht zu werden. Oder, besser gesagt: zwei Perspektiven.
Die erste Perspektive: Es ist gut, dass du das alles bedenkst. Die Trennung wird für deine Tochter eine Belastung sein. Und natürlich fragst du dich da: Wie wird mein Partner unserer Tochter gerecht werden können, wenn sie sich bisher nur von mir nachts beruhigen lässt? Wird diese Erfahrung für meine Tochter vielleicht traumatisch sein und dann auch eine bleibende Verunsicherung hinterlassen? Ich verstehe deine Bedenken gut.
Die zweite Perspektive will ich öffnen, indem ich deine Frage ein kleines bisschen verändere. Sagen wir, es ginge jetzt nicht um eine Klassenfahrt. Vielmehr müsstest du dich einer Operation unterziehen und wärst für ein paar Tage weg von zuhause. Du hättest keine Wahl -würde das deine Bewertung verändern?
Was ich dann sagen würde? Das Gleiche. Ja, das wird eine ziemliche Belastung für deine Tochter sein, Trauer, Schmerz und Tränen eingeschlossen. Damit müsst ihr rechnen.
Ich würde dir dann aber trotzdem Mut machen wollen – und ein paar Dinge benennen, die dir vielleicht bei deiner Entscheidung helfen:
1.
Was die Trennung mit deiner Tochter „in der Tiefe“ macht, hängt nicht an der Trennung selbst, sondern daran, in welchem Bindungssystem sie „aufgefangen“ wird. Hat sie einen ihr vertrauten Papa, so fällt sie von ihrem Bindungssystem her nicht ins Nichts. Auch wenn die Trennung ein Stress sein wird, so hat deine Tochter doch eine „Hülle“, Trost und Schutz, und das wird für ihr inneres Empfinden entscheidend sein. Sie hat gute Unterstützung bei der Bewältigung der Trennungserfahrung.
Und das ist wichtig, wenn es um deine Frage nach der Traumatisierung geht. Traumata entstehen durch Bindungsabbrüche, bei denen das Kind in seiner Not ohne Hilfe, also in äußerster Überforderung „überleben“ muss, die erlebte Krise also nicht bewältigen kann. Ist das hier der Fall? Ich nehme das nicht an, eure Tochter wird an ihrem Papa einen Boden, Halt und Trost finden.
2.
Die Bindungsbasis zwischen Papa und eurer Tochter ist also entscheidend. Ist sie „gut genug“, dann werden beide diese Zeit unbeschadet überstehen.
Vielleicht wirst du hier entgegnen, dass eure Tochter ja Papa zum Trösten gar nicht „akzeptiert“ – (übrigens eine der häufigsten Klagen von Eltern kleiner Kinder die ich kenne). Aber: Dass eure Tochter dich bevorzugt, muss kein Hinweis sein, dass sie zu ihrem Papa keine tragfähige Bindung hat. Ja, deine Tochter „braucht“ dich, um wieder in den Schlaf zu finden – ihr seid nun einmal ein eingespieltes Team und du stehst damit an der Spitze ihrer „Bindungshierarchie“. Natürlich lehnt eure Tochter ihren Papa ab, wenn gleichzeitig die „bessere Wahl“ im Angebot ist! (Es kommt tatsächlich eher selten vor, dass kleine Kinder in Stresssituationen beide Elternteile akzeptieren – zumindest im Beisein beider Elternteile klappt das fast nie). Aber das heißt nicht, dass eure Tochter zu ihrem Papa keinen Draht hat, oder dass sie nicht auch mit der „zweiten Wahl“ klarkommt, wenn du nicht da bist.
Mich würde deshalb die Perspektive des Vaters interessieren. Würde er sich diese Challenge zutrauen? Verbindet damit vielleicht sogar Freude? Oder hat er Bedenken? Ich glaube, wenn dein Mann mit dahintersteht, wird es auch dir leichter fallen, eurer Tochter die Trennung zuzutrauen (und vielleicht wirst du auch eine Beziehungschance darin sehen, also dass die gemeinsame Zeit auch das Verhältnis deines Mannes zu eurer Tochter stärken kann, wenn er jetzt eine Weile die Verantwortung trägt).
3.
– und damit zurück zu deinem „echten“ Fall, bei dem du nun einmal eine gewisse Wahl hast. Du kennst dein Kind am besten, auch was seine mögliche Reaktion und Belastungsgrenzen angeht, da hilft auch der Vergleich zu anderen Kindern nicht weiter („also MEIN Kind hat das in dem Alter ja schon fabelhaft geschafft!“).
Gleichzeitig will ich meine Erfahrungen dazugeben, dass Kinder ihre Eltern manchmal auch überraschen, gerade bei „gut begleiteten“ Trennungen.
Lass mich hier noch etwas zu einer möglichen „Vorbereitung“ sagen, weil du es ansprichst. Dass du jetzt nicht wegen der zukünftigen Trennung gleich alles ummodeln willst, von wegen Stillen oder eure Schlafroutinen, ist absolut verständlich, du siehst da zurecht den Stress, der sich daraus ergibt. Das kann sich trotzdem ändern, wenn die Planung konkreter wird, Entscheidungen wachsen oft in einem unbewussten Hin und Her. Weil ein mögliches Klassenreise-Projekt eben auch an der „Beziehungsgeschichte“ von Vater und Tochter hängt, könntet ihr überlegen, wo und wie das „Tochter-Papa-Team“ aktiv gestärkt werden kann. Vielleicht kann dein Partner jetzt manchmal auch alleine etwas mit eurer Tochter unternehmen? Jede gute Erfahrung miteinander baut auch einen „Beziehungs-Boden“ auf.
4.
Es ist eine neue Geschichte. Du berichtest von deinen schlimmen Erfahrungen mit Trennung von deiner Tochter. Die wirst du nicht abschütteln, und doch will ich das sagen: Deine Tochter ist jetzt ein ganzes Stück älter und robuster, und eure Bindung hat trotz der schweren „Wehen“ bei der Krippeneingewöhnung gut gehalten. Dass du nicht immer verfügbar bist, damit hat deine Tochter jetzt schon einige Erfahrung. Ich nenne es deshalb bewusst „neue Geschichte“, weil ich mir auch vorstellen kann, dass aus den schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit Erwartungen entstehen – nämlich dass es auch diesmal problematisch und auf die lange Strecke belastend werden wird.
5.
Du darfst an dich selbst denken: Was tut DIR gut, was kannst du bewältigen ohne selbst in Not zu kommen? Und das scheint mir für dich besonders wichtig, denn deine bisherige Geschichte mit Trennung war für dich extrem belastend, du berichtest davon ausführlich. Egal in welche Richtung du dich entscheidest, sie wird erst „passen“, wenn du sie mit einem inneren “Ja” triffst, mit einer insgesamt positiven Haltung. Hast du ein schlechtes Gefühl dabei oder triffst du sie wegen der Erwartungen anderer – des Kollegiums etwa, oder deines Partners – bist du zu wenig gewappnet gegen Schuldgefühle und Sorgen (die IMMER eben auch ihren Kopf heben, denn ein bisschen Ambivalenz wird auch im besten Fall bleiben). Und auch die Klassenfahrt könnte dich dann über die Maßen stressen und dir diese Zeit in der „eigenen Spur“ vermasseln. Das ist dein Kind, eure Beziehung – da darfst du ganz selbstbewusst zu deiner Entscheidung stehen und solltest dich vor keinem rechtfertigen müssen.
Wird die Trennung Einfluss auf eure Bindung haben? Ja, auf jeden Fall. Es kann gut sein, dass sich das “Bindungsgummi” eine Weile stärker anspannt. Du merkst dann, dass deine Tochter mehr Mama braucht und generell anhänglicher ist. Es kann in dem Alter auch sein, dass sie eine Weile labiler ist, weniger Selbstregulation schafft, vielleicht auch weinerlicher oder zorniger ist. Das sind alles normale Reaktionen. Es zeigt an, dass dein Kind eine Belastung durchgemacht hat – nicht, dass sie damit nicht klarkommen wird oder sie dadurch geschädigt wird. Auch die Belastungen und Entwicklungskrisen sind Wachstumsanreize. Ihr werdet wieder in eurer Spur landen.
Alles Gute für eure ganze Familie!
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Nämlich unsere Live-Themenabende, sie starten in zwei Wochen, mit vielen neuen Themen!
Über etwa sechs Monate hinweg schauen wir alle zwei Wochen auf ein Thema, das im Alltag mit Kindern wirklich zählt:
Bindung, Autonomie, Schlaf, Orientierung, Geschwisterdynamiken, der Blick auf andere Kulturen – und wie wir daraus für uns wachsen können.
Ich freue mich auf alle, die diesen Weg ein Stück mitgehen möchten.










Quellen
8 Kommentare
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Elisabeth Heimlicher
ich hatte dieses problem auch mal, vor fast 40 jahren. ich hätte ein paar tage an eine interessante tagung im ausland gehen können, verzichtete aber darauf, mit dem gedanken, dass ich ein paar jahre später noch an viele solcher tagungen gehen können werde. und das stimmt. die enge Verbundenheit mit den kleinen ist ja so schnell vorbei, und die möglichkeiten, wegzugehen sind immer noch da.
Kim Kong
Elternschaft und wie sie gelebt wird ist historisch betrachtet, kontingent und kulturell sehr variabel. In Deutschland kommt die Moralkeule sehr schnell und meist unterschwellig, zeigt sich in mütterlichen Schuldgefühlen und Vätern, die sich gerne rasch aus dem daily business rausnehmen. Herr Renz-Polster hat recht – Traumata kommen von ganz anderen Erfahrungen und nicht, wenn die Mutter mal eine Woche ist und ein empathischer Vater dann die Einschlaf- und Durchschlaf- und sonstige Begleitung wuppt. Er schafft das, beide schaffen das. Wir sollten an patriarchalen Denkmustern arbeiten, denn die Antwort auch in gesellschaftlichen Strukturen, die wiederum auf die individuelle Psyche sowie Beziehungen wirken.
Lisa
Ich war eines dieser Kleinkinder, bei denen die primäre Bindungsperson Mama aufgrund beruflicher Anforderungen gelegentlich nicht für mich verfügbar war. Ich hatte Personen, die mich auffingen und bei denen ich mich wohlgefühlt habe. ABER es hat bis heute ein Gefühl in mir zurückgelassen, dass ich niemendem wirklich trauen kann und dass wenn es darauf ankommt, ich vielleicht mir Alternativen suchen muss. Ein sehr unschönes Gefühl, dass ich nicht schaffe auszulöschen. Daher habe ich für mich entschieden für mein Kind der Fels in der Brandung zu sein. Es ist frei zu gehen, aber wenn es mich braucht bin ich da IMMER – sofern es in meiner Macht liegt
Jale
Liebe Lisa – ab welchem Alter wird das bei Dir gewesen sein? Erst ab 2 Jahren, wie bei der Fragestellerin, oder doch schon (ggf. sogar deutlich) früher? Und waren Deine weiteren Bindungspersonen auch liebevoll und präsent? Das wird auch einen großen Unterschied gemacht haben.
Alles Gute!
Stefanie Prochazka
Auch ich habe ein 2-jähriges Kind (2J 4M), das sich bis vor kurzem nur von mir abends ins Bett bringen ließ, und bei nächtlichen Aufwachen auch nur von mir trösten ließ. Wir haben das jetzt in wenigen Wochen wunderbar hinbekommen, ohne Tränen, vllt hilft Dir meine Erfahrung. In 2 Wochen kommt Kind Nr. 2 und ich hatte einen riesen Respekt vor den Nächten, wenn ich zwei Kinder versorgen muss. Ich hab also im Juli zum 2. Geburtstag bindungsorientiert abgestillt (Buch: Mimi muss schlafen). Es gab keine Tränen. Dann haben wir vor 1 Monat angefangen, dass Papa am WE oder freien Tagen viel zweisame Zeit mit dem Sohn verbringt und ihn zum Mittagsschlaf hinlegt. Das klappte im Vergleich zum abendlichen ins Bett-bringen ziemlich gut. Dann übernahm er zunehmend und dann täglich auch die Abendroutine (Zähneputzen, Schlafanzug anziehen, Buch anschauen,…). Im nächsten Schritt haben wir uns zu zweit zu ihm gelegt und er durfte zwei Bücher anschauen (eins mit mir, eins mit Papa). Ich bin dann manchmal „versehentlich eingeschlafen“, war also zum Kuscheln da, aber Papa war der Ansprechpartner. Das alleine-ins-Bett-bringen hat dann aber trotzdem gar nicht funktioniert. Er wollte ab einem gewissen Zeitpunkt zu mir und ist komplett eskaliert. Ich hab dann noch einen „Schlafhasen“ bestellt (Moonie). Als dieser kam, durfte er beim Auspacken dabei sein, aber ich habe gleich klargestellt, dass es MEIN Hase ist, ein Mama-Hase. Dadurch stieg dieser im Ansehen exponentiell an :D. Niemand darf ihn haben, ich hab ihn zwei Tage in Szene gesetzt, u d meinen Sohn darauf vorbereitet, dass ich jetzt dann mal einen Abend nicht daheim bin und Papa ihn ins Bett bringen wird. Er darf dann ausnahmsweise den Mama-Hasen haben. Ich bin auch wirklich gefahren. Der Hase war dann der Gamechanger. Seitdem wechseln wir uns täglich mit den Nächten ab. Er fragte am 3. Tag nicht mehr nach mir, Hauptsache der Hase ist da. Insgesamt warens vllt 3-4 Wochen, ohne Zeitdruck. Zugegebenermaßen viel Gedöns XD, aber es war für alle einfach total entspannt. Ich liebe meine entspannten Nächte seither. Ich weiß, es geht ihm gut und auch der Papa ist überglücklich und hat ein Tränchen vergossen, als es das erste Mal so smoothe funktioniert hat :). Du musst aber auch loslassen können und das Vertrauen schenken, dass die zwei das machen werden! Auch mit ein paar Tränchen, die sind sogar super, weil dann eben auch mal Papa trösten und beschützend sein kann. Die gabs bei uns nachts auch mal. Ich mach da kein Fass auf, sondern sage kurz und knapp, dass ihn heute der Papa ins Bett bringt. Ich kümmer mich um den Hund, muss mit dem Auto wegfahren,…auf jeden Fall bin ich nicht da :). Wir wollten eigentlich von Anfang an, dass ihn auch der Papa hinlegen kann, das hat im ersten halben Jahr auch geklappt, habens dann aber schleifen lassen. Viel Erfolg euch!
Nikolli
Vielen Dank für einen Erfahrungsbericht! Das lässt mich hoffen.
Kim Kong
Ich frage mich oft, ob sich Väter auch diesen Stress machen — meine Vermutung ist: Nein. Und in der hyper-psychologisierten Gesellschaft wird in der Aufarbeitung von Verletzungen gerne auf die Bezugspersonen, meist die Mutter, geschaut. Wo bleibt der Blick auf die gesellschaftlichen Bedingungen, die alle Sorge und Sorgearbeit auf Frauen abwälzen? Das kommt im Diskurs zu kurz, leider. Immer wieder und fast überall. Ich empfehle die Bücher von Franziska Schutzbach zum Thema “Die Erschöpfung der Frauen” und “Revolution der Verbundenheit”, letzteres argumentiert gegen Stimmen, die die Gruppe der Frauen spalten will (z. B. in gute Mütter / böse Mütter) und für Nähe, Verbundenheit, Solidarität.
Jale
Liebe Mutter, das ist doch ein schöner Mutmacher von HRP, dass Dein Kind und Dein Mann es (natürlich) im Zweifel schaffen werden.
Aber unabhängig davon, es muss unterm Strich dann für DICH passen und DU musst Deinen Frieden haben und voll hinter Deiner Entscheindung stehen! (Alles andere spürt das Kind, und sei es Deine unterschwellige Bedürftigkeit.). Es klingt so, als würdest Du den gesellschaftlichen Druck von Dritten (das Kind “zum vorgesehenen Zeitpunkt” in die KiTa bringen, auf Klassenfahrt mitfahren) sehr nahe an Dich herankommen lassen. Aber genau das brauchst Du nicht. Trau Dich, Dich davon freizumachen, Kante zu zeigen und auf Dein Herz zu hören. Oder eben mit Begeisterung auf die Klassenfahrt zu fahren. Diese Verantwortung hat HRP offenbar ganz sanft zu Dir zurückgekegelt 😉