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Mutterschaft und Stillen: Kritik in der Paarberatung
Ich bin erfüllte Mama einer 2 jährigen fröhlichen Tochter. Unsere Tochter wird noch gestillt. Mein Mann und ich haben uns vor kurzem getrennt und sind nun in einer Paarberatung. Der Mediator hat mich im letzten Termin ziemlich offensiv dafür kritisiert, dass ich unsere Tochter noch stille. Das sei schädlich für die Entwicklung von Kleinkindern. Ich müsse lernen loszulassen, ich würde unserer Tochter damit einen großen Gefallen tun. Außerdem könnte der Papa des Kindes sonst keine so enge Beziehung zu seiner Tochter aufbauen, ich würde ihn nämlich durch das Stillen ausschließen.. Mich verletzen diese Vorwürfe, weil sie auf mich respektlos und überheblich wirken. Mir ist das Wohl meiner Tochter das allerwichtigste in meinem Leben und nun wird mir aufgrund der Trennungssituation vorgeworfen, dass ich mein Kind nicht loslassen könne und ihr dadurch schade. Unsere Tochter liebt ihren Vater über alles, ist gerne bei ihm, und das Stillen war vorher auch nie Thema. Mich macht das wahnsinnig traurig und setzt mich unter Druck. Zumal ich das Gefühl habe, dass unsere Stillsituation sich vor allem in der Trennung positiv stärkend auf unsere Tochter auswirkt.
Ich verstehe Ihre Kränkung absolut. Sie sind die Mutter, und das Stillen ist weder die Expertise noch der Aufgabenbereich eines Mediators. Ob Sie und Ihr Kind mit dem Stillen gut fahren, das können nur Sie einschätzen, und nicht ein Fremder, der weder Sie noch Ihr Kind kennt. Er ist doch nicht von Ihnen beauftragt, Ihr Leben zu sichten, was in Ordnung ist und was nicht, welche Anmaßung! Ich verstehe Mediation anders.
Also da ist guter Rat teuer, die Frage ist, ob bei einer solchen übergriffigen Haltung überhaupt ein Vertrauensverhältnis da sein kann. Es wird auch an Ihrem Mann hängen, ob er diese Art mitmachen will, denn es könnte dann auch auf eine ungute “Lagerbildung” herauslaufen, dann haben Sie sowieso nur Kummer. Denn was soll dabei rauskommen, außer dass Sie sich ständig für Ihr Leben verteidigen müssen? Das kann nicht angehen und sollte auch nicht im Interesse Ihres Ex-Mannes sein, der, so hoffe ich, im Vordergrund das Wohlergehen Ihres gemeinsamen Kindes sieht.
Zum längeren Stillen wurde schon so viel Unfug behauptet, ich will deshalb auf ein paar wichtige Punkte hinweisen.
Zum einen war Stillen von Kleinkindern immer Teil des arttypischen Standards. Ich erkläre die Hintergründe in diesem Blog-Beitrag und gehe auch auf die Wissenschaft dahinter ein. Es gibt keinen Hinweis, dass die Selbstständigkeitsentwicklung des Kindes dadurch beeinträchtigt wird. (Wie auch, sonst wären die Kinder in unserer evolutionären Vergangenheit nie selbstständig geworden! )
Zu dem Argument, dass der Vater durch das Stillen „verdrängt“ würde: es ist schlichweg falsch. Bindung ist nicht wie eine Torte, bei der die Beteiligten deshalb ein kleines Stück bekommen, weil ein anderer ein großes Stück hat, zudem besteht Bindung aus so viel mehr als Stillen! Das heißt konkret, dass ein Kind eine wunderbare, sichere und intensive Bindung zum Vater (oder zur Oma, oder anderen Bindungspersonen) haben kann, auch wenn es bei der Mutter noch ab und zu Milch trinkt.
Mir ist das wichtig, denn wir tun den Kindern (und uns) keinen Gefallen, wenn wir Form und Inhalt verwechseln. Ein Kleinkind, das noch an der Brust trinkt, ist nicht weniger selbstständig als eines, das seine Milch aus der Flasche trinkt. Und nochmal: es hat deshalb auch keine schlechtere Beziehung zu seiner Oma oder seinem Vater. Ja, es wird in Nähe umsorgt (und ich hoffe, dass auch nicht gestillte Kinder das werden) – und kann trotzdem eine mutige, kleine Draufgängerin sein.
Eine sehr gute und reichhaltige Zusammenfassung zur Diskussion rund um das Langzeitstillen finden Sie übrigens im (wirklich in jeder Hinsicht empfehlenswerten) Still-Lexikon.
Wenn Sie die Mediation fortsetzen, würde ich darauf bestehen, dieses Thema Ihnen zu überlassen, es wird hier instrumentalisiert. Auch in anderen Fällen erlebe ich immer wieder, dass die Still-Frage mit irgendwelchen kruden Theorien zu einem Machtmittel gewendet wird – und die Mutter damit zum Teil regelrecht „fertig“ gemacht wird. Wo leben wird denn.
Herzlich
HRP
Anna
Danke! Auch einer der Gründe, warum ich, habe ich ein Paar als Gegenüber, für ein Mediatoren-Paar bin, ist zwar aufwendiger, verhindert jedoch solche unguten Konstellationen.
Liesel
Unsere Tochter ist jetzt 2,5 Jahre alt und stillt sowohl tagsüber als auch nachts noch häufig.
Ich habe gerade diese Seiten hier aufgesucht weil sie ein totales Papakind ist und ich quasi nur noch zum stillen/regulieren da bin und mich ein wenig ratlos finde warum das so sein könnte.
Stillen ist also aus meiner Sicht nicht hinderlich für eine gelungene Bindung/Bezuehung zum Vater.