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Beratungsfrage5. November 2024

7 Gründe für Trump !

Ich kann es wirklich nicht fassen: Praktisch die Hälfte der US-amerikanischen WählerInnen will einen zutiefst niederträchtigen, narzisstischen, rassistischen und kriminellen Mann zu ihrem Präsidenten wählen. Er sagt offen, dass er das Land in eine Diktatur verwandeln will.

Es kann doch nicht sein, dass halb Amerika faschistisch denkt !!!!!??????

Ja, die Frage könnte aktueller nicht sein und passt gut zu meinen Arbeiten zu dem Thema in dem Buch „Erziehung prägt Gesinnung“ – und auch zu unseren Erfahrungen als Familie in diesem wunderbaren Land (wir haben dort 7 Jahre gelebt).

Ich kann wirklich sagen: wir zittern in den nächsten Tagen mit!!!!

Ich will hier einfach mal eine Liste machen, was bei dieser Wahl alles eine Rolle spielt. Sie ist nicht vollständig, aber sie enthält ein paar Punkte, die vielleicht erklären können, warum heute ein offenbar schwer beschädigter Mensch vielleicht die Wahl gewinnt.

1

Ein überraschend großer Teil der republikanischen Wählerschaft ist tatsächlich rechts-autoritär gesinnt, d.h. ist bereit, sich einem Führer zu unterwerfen, der die Probleme des Landes mit harter Hand lösen soll (was diese Haltung und die dazugehörige Persönlichkeitsstruktur mit der Erziehung zu tun hat, erkläre ich in “Erziehung prägt Gesinnung”). Nach neuen Umfragen (Juni 2024) gehören 21% der US-AmerikanerInnen zu dieser Gruppe, sie wählen überwiegend republikanisch. 27% der Republikaner befürworten politische Gewalt „um das Land zu retten“ (bei dem Demokraten sind es 8 %). Weitere 22% der US-Amerikaner sind „autoritär geneigt“, auch sie sind häufiger bei den Republikanern zu finden. Das sind überraschend hohe Werte (doppelt so hoch wie in Canada). Immerhin – zum Trost – sie sind nicht höher als vor 5 Jahren 😉.

2

Es gibt aber auch noch eine zweite „autoritäre“ Geschmacksrichtung, und auch sie ist in den USA recht prominent vertreten. Diese Geschmacksrichtung heisst soziale Dominanzorientierung („social dominance orientation“, SDO). Diese Menschen halten sich für überlegen, und leiten daraus ab, dass *sie* die Regeln bestimmen. In diesem Lager spricht man gerne von „Leistungsträgern“ (und meint damit nicht die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern). Oder von „Minderleistern“ (damit ist nicht der Steuerflüchtling mit dem dicken Konto auf den Bahamas gemeint). Wem jetzt ein Donald Trump oder Elon Musk in den Sinn kommt, liegt richtig (und kann bestimmt auch einige Kandidaten aus D benennen) 😉. Leider gibt es keine Daten dazu, wie SDO zwischen den Parteien verteilt ist. Klar ist aber, dass auch diese Geschmacksrichtungen des Autoritarismus in der republikanischen Partei stark vertreten ist.

3

Einen großen Anteil an Stimmen bekommt Trump aber auch von den ökonomisch Abgehängten, ob sie nun autoritär denken oder nicht. Tiefere Ursache dafür ist die extreme Einkommens-Ungleichheit in den USA, die eine immer breiter werdende Schicht von ökonomisch Abgehängten hinterlässt. Die Betroffenen stehen, anders als in Deutschland, sozial komplett „nackt“ da, also ohne finanzielle Abpufferung. Sie stehen damit im Grunde in einem beständigen Überlebenskampf, arbeiten mehrere Jobs gleichzeitig – und sind immer nur einen Schritt von der Obdachlosigkeit entfernt. Diese Gruppe ist sehr stark durch die anhaltende Inflation betroffen, die insbesondere die Lebensmittel und das Benzin verteuert. Auch ist diese Gruppe eher empfänglich, wenn Trump gegen den „Job-Klau“ durch Migranten wettert und sich als begnadeter Wirtschaftslenker präsentiert, dem in seinem Leben bisher alles gelungen ist.

4

Durch einen zugespitzten „Kulturkampf“ rund um das Feinbild „woke“ sammelt Trump auch viele Konservative ein. Trump profitiert extrem davon, dass sich die Lebenswirklichkeiten zwischen Stadt und Land, Jung und Alt, universitär Gebildeten und denen mit einfacheren Abschlüssen in den letzten Jahrzehnten extrem auseinanderentwickelt haben – und das weiter tun. Im Grunde haben sich in den USA längst verschiedene „Stämme“ gebildet – mit unterschiedlichen Arbeitsplätzen, unterschiedlicher Freizeitbeschäftigung, unterschiedluchem Medienkonsum – und unterschiedlichen Überzeugungen von „richtig“ und „falsch“. Mit seinem Kampf gegen den Liberalismus nimmt Trump natürlich auch die in den USA große Gruppe der Radikalreligiösen und Evangelikalen mit. (Was für ein Witz: Familien, in denen so manche Tochter ihrem Vater einen „Keuschheitsschwur“ leisten muss, stimmen für einen verurteilten Sexualverbrecher…)

5

Ein Plus für Trump ist auch sein auf „volkstümlich“ gestimmtes Charisma. Als begabter Entertainer und Narzisst spielt Trump sehr gut die Rolle des underdogs. Auch wenn das wieder ein kompletter Witz ist: Trump selbst lebt wie ein Sonnenkönig – gibt sich aber als der Kumpel aus der Kneipe um die Ecke. Und dann zeigt er mit langem Finger auf die „elitären“ Demokraten und sagt: die halten uns für dumm! Auf die Opfer-Masche fallen leider gerade sozial gestresste Menschen leicht herein.

6

Seinen größten Trumpf zückt Trump aber durch sein shame-blame-fame Spiel. Ich will es erläutern: Im Zuge des globalisierten Turbokapitalismus wurden die USA im Grunde sozial entkernt: Arbeitsplätze in der industriellen Fertigung und dem Bergbau wanderten ab und hinterließen wegen der fast fehlenden sozialen Abfederung zerrissene Gemeinden und deprimierte Menschen (sehr verständlich, denn in einer Hyper-Leistungsgesellschaft wie den USA mit ihrem Mantra „Jeder ist seines Glückes eigener Schmied“ ist der soziale Abstieg maximal vernichtend). Den von Scham (shame) gebeugten Betroffenen verkündet Trump nun das: die Schuld liegt bei anderen – den Migranten, den Ausländern, den Demokraten (blame). Und er packt gleich noch ein Erlösungsversprechen dazu: ich mache euch wieder groß and wertig (fame)! Leider beherrscht Trump das shame-blame-fame-Spiel geradezu perfekt.

7

Man muss als Letztes auch bedenken, dass die USA ein „the winner takes it all“-Wahlrecht hat, das zudem den traditionell konservativen landwirtschaftlichen Flächenstaaten ein größeres Gewicht gibt. Das heisst

  • dass Trump auch gewinnen kann, wenn er insgesamt (im „popular vote“) bei weitem unterliegt
  • dass de facto nur wenige WählerInnen in den „swing states“ die Wahl entscheiden werden (bei der letzten Wahl waren das die Stimmen von nur 43 000 WählerInnen

Deshalb ist es absolut denkbar, dass die heutige Wahl einen menschlichen Totalversager zum mächtigsten Mann der Erde macht, leider.

 


Warum wenden sich manche Menschen ausgerechnet autoritären Gesinnungen zu? Darum geht es in meinem Vortrag am 05. Dezember: “Erziehung, Werte und Gesinnung – Warum die Kindheit politisch ist”

Der Vortrag ist Teil der neuen Vortragsreihe “Themenabende mit HRP“. In 10 Online-Vorträgen werden verschiedene Themen rund um Erziehung, Kindheit und Familie behandelt.

 

Dieser Beitrag beruht auf dem Buch „Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können" des Kinderarztes und Wissenschaftlers Dr. Herbert Renz-Polster.
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7 Kommentare

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  • Jale

    Eine brilliante packende Analyse, bei weitem das Treffendste und Beste, was ich zu dem Thema gelesen habe.

    Es ist einfach derart ungerecht, dass ein paar wenige menschliche Totalversager (Danke !!) Milliarden Menschen mit ins Unglück reißen dürfen. Dass Staaten-Systeme so missbrauchsanfällig sind. Man merkt, dass es bei Macht- und Besitzanhäufung leider keine sinnvollen eingebauten Schranken gibt und wie schwer es ist, diese immer wieder zu errichten und zu verhandeln.

    (Tut mir leid, aber Putin und Trump wünsche ich für all das, was sie der Menschheit antun, die schlimmsten Dinge an den Hals, so dass sie ihre Macht nicht mehr ausüben könnten. Auch wenn ich weiß, dass das natürlich die Probleme autoritär geprägter Gesellschaften nicht von heute auf morgen löst).

  • Jale

    ach ja, noch was: Der Mensch hält sich für die Krone der Schöpfung – doch anscheinend bedeutet “evolutionär aufwändigstes” Lebewesen leider auch “besonders verwundbar und anfällig” !
    Wie schnell größere Herrschaftssysteme den o.g. Mechanismen anheimfallen, mit Schäden für weite Teile der Bevölkerung. Wie dieser Geist des Autoritarismus über mehrere Generationen Menschen relevant beschädigen kann. Wie lange das Gift der autoritaristischen Erziehung nachwirkt, in so vielen Dingen, für das sich in der Regel die Individuen selber die Schuld geben, wie zB Beziehungsleben, Gesundheitsverhalten…

  • Eine Kollegin, nicht pädiatrisch

    was nicht artgerechte Erziehung offenbar so alles anrichten kann 😳😳😳😳😳😳😳😳😳

  • Irene

    Erziehung prägt Gesinnung, so ein wahnsinnig gutes Buch! Vielen Dank dafür! Die Erkenntnisse daraus sollten noch vielmehr in die politische und gesellschaftliche Debatte einfließen. Der Aspekt Erziehung wird beim Thema Rechtsruck eigentlich nicht mitdiskutiert.

  • Friedo Pagel

    Ja, volle Zustimmung ….
    Nur ist Ihr Buch ja nicht gerade gestern erschienen.
    Und ich denke, seither gibt es so manchen YouTube Vortrag, der dieses sehr gut ergänzt. Z.B. hier
    https://www.youtube.com/watch?v=9YYZQAXoghc (min 4 -13), wo Bezug genommen wird auf psychologische Nachkriegs-Studien zum Thema “Wie konnte das passieren?”. Und soziologisch sehen wir leider auch bei uns eine ganz ähnliche Entwicklung wie in den USA, ebenfalls auf den Erkenntnissen von Nachkriegs-Studien aufbauend: https://www.boell.de/de/leipziger-autoritarismus-studie
    Aber was genau passiert da in jedem Individuum?
    Dazu sollten wir wohl oder übel unser Bild von uns selbst, wie wir als als biologisches Wesen Mensch funktionieren, korrigieren.
    Schon vor Jahrzehnten hat Prof. Gazzaniga gezeigt, dass wir eben nicht von unserer Vernunft angeleitet denken und handeln, sondern diese hinterher nur einsetzen, um unser Handeln zu erklären (https://www.amazon.de/Die-Ich-Illusion-Bewusstsein-freier-entstehen/dp/3446430113). In unterhaltsamer, salopper Form hat der Neurologe Mikka Luster das 2018 in Regensburg vorgetragen https://www.youtube.com/watch?v=W5312J0LedQ
    “Proximity” und “Loyalty” sind die Triebkräfte unseres Handlels. Und zwar nicht nur manchmal, IMMER ! (https://www.youtube.com/watch?v=14XSzWT4vI0)
    Und nein, nicht nur bei den “ungebildeten” Dummen, WIR ALLE SIND SO! In Rahmen der Evolution kann es auch kaum anders sein. Die älteste Hirnregion (Insula Cortex, “Reptiliengehirn”) trifft die Entscheidung über die Frage “Bin ich sicher, oder nicht?” in Millisekunden. Bei “nein” folgt sofort uns intuitiv die Stressantwort der HPA-Achse, um uns für Kämpfe-Fliehe-oder-Erstarre bereit zu machen, was parallel dazu in uns Emotionen auslöst (Amygdala). Und erst dann kommt der Präfontale Cortex, um unsere besondere Qualität des Menschen, das Prinzip von Ursache und Wirkung beobachten uns erfolgreich anwenden zu können, zum Tragen. Und dem hängen wir so an, dass wir erst einmal auch spekulieren. Auch die ganze Götterwelt von Ägyptern bis zu den Römern war mit den Erkenntnissen jener Zeit in diesem Sinne ja völlig logisch.
    Aber wieso klafft es dann so auseinander? Wo der eine eine elementare Gefahr für sich im Verzug verspürt, reagiert der andere mit “angenehme Herausforderung, die das Leben interessanter macht”. (Dazu würde ich empfehlen, eines der vielen Interviews mit der Hirnforscherin Hannah Monyer anzuschauen, oder ihr Buch “Das geniale Gedächtnis: Wie das Gehirn aus der Vergangenheit unsere Zukunft macht” https://www.amazon.de/Das-geniale-Ged%C3%A4chtnis-Vergangenheit-Zukunft/dp/3328101241/ zu lesen.) Und damit sind wir auch wieder zurück bei der Kindheit. Erziehung? Ja. Aber Erziehung heißt vor allen Dingen “erleben”, seinen eigenen Wert und das Vorbild der Eltern. Ich denke, hier steckt auch das Geheimnis von Hannah Monyers späterem Erfolg: „Meine Eltern haben nicht studiert, und besaßen nur wenig Geld – aber sie haben immer alles möglich gemacht.” Etwa als sie es sich in den Kopf setzte, Klavierspielen zu lernen. Sechs Jahre war sie damals alt. „Ein Klavier ist doch keine Flöte”, kommentierte ihr Vater den eindringlichen Wunsch seiner Tochter. Nichtsdestotrotz haben ihr die Eltern das Instrument gekauft, einen Flügel gar, für den sie sich das Geld liehen.Seither begleitet das Klavierspiel Hannah Monyers Leben. Nach Schulschluss ging sie bis zum Abend in die Musikschule, jeden Tag, acht Jahre lang, und träumte davon, Pianistin zu werden. Mit 14 Jahren entschied sie sich dagegen: „Ich habe immer fleißig geübt und sehr gut gespielt, aber letztlich wusste ich, dass ich nicht das Zeug habe, eine wirklich exzellente Pianistin zu werden.” Der Musik ist sie dennoch treu geblieben. Sie spielt regelmäßig Klavier, nimmt Unterricht, übt schwierige Passagen – und fordert das Gehirn so immer wieder heraus, neue Wege zu bahnen und Verbindungen zu knüpfen.
    Aber heißt das “Kindheit versaut = alles vorbei”? Nein heißt es nicht! Es bedeutet nur, dass wer schlechte Erfahrungen gemacht hat und daher schneller als andere zu irrationalem Handeln neigt, ist nicht unbedingt böse sondern braucht Hilfe und Unterstützung auf emotionaler Ebene, während rein rationale Belehrungen und Ausgrenzung ihn/sie nur noch renitenter macht.
    Vergessen wir nicht, wir haben nicht ein festes Gehirn sondern ein plastisches Gehirn. Dazu müssen wir anerkennen, Rassismus und Akzeptanz von Gewalt stecken als eine Art Saatgut zunächst einmal in jedem von uns. Aber was wir daraus machen, das können wir gestalten:
    zu Rassismus: https://www.youtube.com/watch?v=r3N88xIWujE
    zu Gewalt: https://www.youtube.com/watch?v=ORthzIOEf30
    Als Menschen sollten wir trotz aller Schwierigkeiten doch nicht darauf verzichten, Menschlichkeit und Menschenwürde oberste Priorität zu geben.

    • Leoni Bönhof

      sehr ausführlicher und spannender Beitrag. Eben, man bräuchte eigentlich umso mehr Ressourcen, um das Gewaltvolle und Harte wieder aufzulösen. Aber woher soll das kommen?
      Leider hat man das Gefühl, dass in Not geratene Gesellschaften mit unter Druck geratenen Kindheiten von allein immer nur noch schlimmer werden, mehr Ausgrenzung, mehr Gewalt, mehr Härte und mehr Nutznießer.
      (Schon im Kleinen: Unter Not und Stress ist eine liebevolle Erziehung viel schwieriger)
      Dabei bräuchte man eigentlich gerade dann umso mehr Ressourcen, um den Teufelskreis zu durchbrechen… momentan seh ich das leider nicht…

      Weitere Gedanken:

      Ich frage mich auch, ob es ebenfalls einen “Smartphone” Effekt bzw. social media Effekt bei der Populismusgeschichte gibt, so wie bei der mental health Geschichte.
      Offenbar hat ja niemand mehr mit völlig erfundenem Quatsch ein Problem, Hauptsache es ist Tiktok-tauglich.

      Und dann noch das Shame-Blame-Ding, es richtet sich momentan nicht nur massiv gegen Migranten, sondern auch gegen Frauen.
      Verteilungskämpfe der hinten Runterfallenden, die meinen, sich dadurch ermöchtigen zu können, indem sie gegen noch Schwächere treten – und dabei ihre Schlächter selber wählen.

      • Jale

        Gewalt und Entrechtung von Frauen, mit teils lebensbedrohlichen Konsequeznen. siehe zB Fälle in Republikanischen Bundesstaaten, in denen schwangere Frauen starben:

        “A healthcare policy professor believes that strict abortion laws enacted by Republican states have made pregnant women “untouchables” — and have resulted in their deaths.

        Nevaeh Crain was 18 years old when she died on October 29, 2023. She was pregnant at the time, was suffering from a fever, vomiting, weakness, and intense abdominal pain.

        Within 12 hours, Crain — a Texas resident — had visited two hospital emergency rooms, and was blocked from receiving life-saving treatment both times”.

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