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Beratungsfrage26. März 2024

Unerfüllter Wunsch nach Geschwisterkind

Ich bin Mutter einer 7-jährigen Tochter. Unser Kind ist Einzelkind. Nach zwei Fehlgeburten haben wir beschlossen es so zu belassen. Wir und auch unsere Tochter haben den Wunsch nach einem Geschwisterkind gehabt. Wir leben nun damit und es ist in Ordnung. Nun bekommt aber die Freundin unserer Tochter ein Geschwisterkind. Unsere Tochter und auch wir haben darüber sehr geweint. Sie fühlt sich nun allein und ich habe geweint, weil ich so traurig mit ihr war. Sie meint andere Kinder sind nicht allein, nur sie ist es. Wie kann ich ihr in dieser Phase helfen? Gerade wenn das Kind von der Freundin nachher auf der Welt ist. Ihre Freundin wird ganz kindlich natürlich ihre eigene Freude über das Geschwister nicht verbergen, was ja auch normal ist. Ich möchte nur gerne meiner Tochter helfen mit ihrem gefühlten Alleinsein umzugehen.

Danke, dass Du uns da mitnimmst in Deine Gefühle!

Ihr seid beide traurig, und das darf sein. Denn das Thema ist ja noch in Dir und bleibt das auch dann, wenn „alles in Ordnung“ ist und die Lücke schon weitgehend zugewachsen ist. Das merkst Du dann bei solchen Anlässen. (Und von denen werden vielleicht noch mehr kommen, und sei es später der Auszug deines Kindes, oder, oder, oder).

Wir tragen ja sowohl unsere Triumphe als auch unsere Enttäuschungen weiter durchs Leben.

Deshalb ja, die Trauer darfst Du anerkennen und ihr Resonanz geben. Und Teil dieser Trauer kann auch das Gefühl von Einsamkeit sein. Da hilft es überhaupt nicht, das Gefühl wegzudrängen, auch nicht durch noch so rationale Argumente („wir sind ja eine Familie… haben ja dieses tolle Kind… und andere haben gar keines“ … usw.). Diese Floskeln wirken nicht, denn Realität ist, dass der „Folgekinderwunsch“ genauso unendlich riesig sein kann wie der erste Kinderwunsch. Und deshalb ist auch der Schmerz nicht unbedingt kleiner (auch wenn Dein Umfeld das vielleicht erwartet – was den Schmerz und die Einsamkeit dann ja oft nur noch größer macht …)

Jetzt aber zu Deiner Tochter.

1.

Wichtig ist, dass das Thema Geschwisterlosigkeit für sie keine Blackbox ist, sondern ihr darüber offen reden könnt – wenn sie mag. Das muss keine möglichst umfassende Aufklärung sein, im Gegenteil, das kann in diesem Alter dann auch selbst wieder zu Missverständnissen führen. Da darfst Du eher darauf vertrauen, dass Deine Tochter Dir die für sie wichtigen Fragen schon stellen wird – und die kannst Du dann konkret beantworten. Rein rational oder gar medizinisch gibt es ja bis heute meist sowieso keine befriedigende Antwort, warum der eine Fetus „es schafft“ und der andere nicht. Viel wichtiger ist das Grundlegende: das war nicht in unserer Hand, da ist niemand schuld dran.

2.

Wenn wir schon bei möglichen Schuldgefühlen sind… Die betreten das Familienhaus ja meist durch die Hintertür. Nehmen wir doch gleich das Thema „Einzelkind“. Das Wort hat bekanntermaßen nicht das beste Karma – durchaus nachvollziehbar, wenn Du Dich Deiner Tochter gegenüber dann eben doch irgendwie „schuldig“ fühlst – eben dass sie zum Beispiel „alleine“ aufwächst. Diesen Stier musst Du unbedingt bei den Hörnern packen! Und zwar richtig. Zum ersten: Sie wächst ja nicht alleine auf.

Ja, Kinder brauchen andere Kinder, aber das müssen nicht unbedingt Geschwister sein. Zweitens: Ist Einzelkind sein ein schweres Schicksal? Nein – Deine Tochter kann deswegen nicht weniger glücklich und zufrieden sein als andere Kinder. Fehlt ihr vielleicht etwas für ihre Entwicklung? Das kann schon sein, Geschwister können für ein Kind tatsächlich ein Plus sein. Nur: sehr viele Dinge können für Kinder ein Plus sein, die das eine Kind hat und das andere nicht. Und das wirkliche Schwergewicht bei diesen „Plussen“ ist vor allem Eure Beziehungsbasis. Und die habt Ihr und an der könnt Ihr weiterbauen (etwa entlang den für alle Kinder wichtigen Fragen: wie schaffe ich es, diesem Kind genug Freiraum zu geben und zuzutrauen…?).

3.

Noch ein Wort zur Beziehung deiner Tochter zu ihrer Freundin: Ja, zu den Gefühlen deiner Tochter kann auch Neid gehören, und auch das darf sein. Vor allem aber: Wie schön für Deine Tochter, dass sie das miterleben darf! Ich würde diese positive Haltung ganz bewusst den Bedenken entgegenstellen! (Durchaus vorstellbar, dass das Dir dann auch weh tun kann, oder? – stelle Dich jedenfalls darauf ein so gut es geht). Deine Tochter wird dabei auch realistischer sehen, was „Geschwister sein“ eigentlich konkret bedeutet 😉 – auch dass die meisten Teile des vorigen Lebens dann doch so weitergehen wie vorher.

Also: sehe diese Freundschaft als Chance.

4.

Ganz wichtig erscheint mir das: Dein Kind leidet jetzt, Dein Kind ist traurig. Da hilft es, in der Perspektive zu bleiben. Kein Geschwisterkind zu haben ist für Deine Tochter traurig – aber nicht unbedingt ein Trauma (da muss sehr viel zusammenkommen, damit es das würde). Die Wunde wird wieder verheilen. Das ist wichtig, dass wir da das Maß nicht verlieren. Und zwar gerade deshalb, weil das für Dich oder Deinen Partner vielleicht anders ist und der Verlust tatsächlich ein Trauma war oder ist. Also: Dein Kind wird klar kommen, das kannst Du getrost annehmen.
Und das darfst Du ihm gegenüber auch ausstrahlen.

5.

Das ist auch deshalb wichtig, weil wir manchmal dazu neigen, ein Kind mit einem Kummer dann als besonders verletzlich zu betrachten. Wie leicht sehen wir dann zum Beispiel spätere Probleme als Folge der Geschwisterlosigkeit! Aber damit wirst Du Deinem Kind vielleicht gar nicht gerecht. Probleme gehören zum Aufwachsen dazu – ob ein Kind nun Geschwister hat oder nicht. Wie lästig es sein kann, wenn jedes Problem dann auf die Kinderlosigkeit zurückgeführt wird, kannst Du sicher nachvollziehen – was würdest Du sagen, wenn Dein Mann jedesmal, wenn Du traurig bist, automatisch sagen würde: Du Arme, Du hast bestimmt noch an der Fehlgeburt zu knabbern. Kann sein, aber die pauschale Annahme entwertet.

Ich hoffe das trägt ein bisschen zur Klärung bei. Ich wünsche Euch alles Gute!

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3 Kommentare

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  • Jale

    Vielen Dank für diese schönen und auch tröstenden Worte. So kompetent und umfassend. Und dass es auch das Leid der Eltern so anerkennt.
    Von Herzen alles Gute für die Fragestellerin und ihre Tochter!!! So tapfer und so einfühlsam!

  • Nora

    Musste beim Lesen auch ein wenig die Tränen zurückhalten. Bei uns ist es eine ähnliche Situation. Mein Sohn wird vermutlich Einzelkind bleiben, weil wir einfach zu lange gewartet haben. Für ihn ist das aktuell kein Problem. Und wie im text beschrieben, versuchen wir ganz aktiv dafür zu sorgen, dass er nicht „allein“ aufwächst. Er hat sehr viele Sozialkontakte zu anderen Kindern und Erwachsenen. Ich würde meinen, mehr als manch andere, die Geschwister haben, wo sich aber alles vor allem in der „Kernfamilie“ abspielt.
    Ich mag es sowieso, wenn man die „Familie“ ausweitet auf Freund*innen und liebe Menschen, die einem nahestehen. Das (er)lebt mein Sohn auch so und ich habe den Eindruck, dass er das genießt und sich nicht allein fühlt. Das kann noch kommen, ja, aber Geschwister haben ja auch oft Probleme und fühlen sich auch nicht immer nur gut miteinander 🙂
    Ich wünsche euch alles Gute!

  • Karin

    Wir haben auch „nur“ einen Sohn, der nun schon bald 12 wird. Weil es auf biologischem Weg auf keine Weise funktioniert hat, haben wir adoptiert. Für eine Zweitadoption war es dann zu spät.
    Man macht sich natürlich schon seine Gedanken: Adoptiert, dann auch noch Einzelkind, und das als einziger in seinem Freundeskreis… Wie wird sich das später zeigen? Wie wird wohl die Pubertät?
    Von der Antwort auf letzteres werden wir uns jetzt erst allmählich überraschen lassen. Aber der Sache mit dem Einzelkind-Dasein kann ich schon was erzählen. Da kam für unseren Sohn zusammen, dass er zur gleichen Zeit realisierte, dass es da noch eine andere Mama gibt (wir haben ihm schon im Kinderwagen von seiner Bauchmama erzählt, die nach Eltern für ihn gesucht hat, weil sie ganz alleine war und sich Sorgen gemacht hat, das alleine nicht zu schaffen). Nun wollte er, 4 Jahre alt, diese andere Mama auch kennenlernen („Ich will zu meiner richtigen Mama.“) Und zur gleichen Zeit bekam sein bester Freund ein Brüderchen. Alle seine Freunde im Kindergarten hatten mindestens eine Geschwister.
    Beide Lücken konnten wir nicht füllen. Seine Adoption war eine geschlossene, aber wir sind dann mit ihm zu der Organisation gefahren, wo seine Bauchmama ihn zur Welt gebracht und eine paar Tage mit ihm verbracht hat, um ihre Entscheidung zu durchdenken. Nach einer Weile war das Thema fürs Erste durch.
    Vom kleinen Bruder seines Kumpels hat er viel erzählt, und natürlich wollte er auch einen haben. Er fand den sooo süß! Da bleibt für die Eltern eigentlich nur, zuzuhören bei den Erzählungen, mit zu lachen, wenn es lustig ist, zum Ausdruck bringen, dass man seine Trauer versteht.
    Als der kleine Bruder dann das Laufen lernte und unseren Sohn begeistert zu verfolgen begann, wann immer der dort war, war er erst mal geheilt („Mama, der nervt!“)
    Jetzt ist er auf einer neuen Schule und hat dort einen neuen besten Kumpel gefunden. Der hat auch einen jüngeren Bruder, mit dem die beiden auch Zeit verbringen. Ich merke, dass es meinen Sohn wieder ein bisschen traurig macht, dass er kein Geschwister hat. Zumal er ja jetzt auch alt genug ist, zu erkennen, dass die Onkel und Tanten die Geschwister von Mama und Papa sind. Aber auch hier: Wir hören ihm zu, wenn er davon erzählt, aber wir strapazieren das Thema nicht. Wie HRP es schreibt: Er ist hin und wieder traurig und darf das sein. Aber ein Trauma scheint mir das nicht zu sein.