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Beratungsfrage14. November 2023

Ist es gefährlich, dass unser Baby alles in den Mund nimmt?

Unser Baby heißt Enya und sie kann jetzt gut alleine sitzen. Sie steckt jetzt alles, was sie nur greifen kann, in den Mund. Das ging schon los als sie drei Monate alt war. Jetzt lutscht sie sogar am Tischbein! Während ich kein Problem darin sehe findet meine Frau, dass das unappetitlich sei. Sie hat auch Angst, dass unser Spatz sich vielleicht mit Keimen anstecken könnte.

Das passt gut zu meinem letzten Post – denn gerade Remo Largo hat sich mit diesen Fragen ganz intensiv beschäftigt. Er erklärt dieses „Mundeln“, wie es auch genannt wird, als Teil des Kennenlernens der Umwelt. Und er kann sich dabei auf wissenschaftliche Ergebisse stützen.

Die kopiere ich hier aus seinem ungeheuer informativen Buch Babyjahre einfach mal ein:

Orales Erkunden. Will ein Säugling einen Gegenstand ergreifen, führt er, durch seine Augen geleitet, seine Hände zum Gegenstand. Sobald er den Gegenstand ergriffen hat, benutzt er aber nicht etwa seine Augen, sondern seinen Mund, um den Gegenstand zu untersuchen. Er führt den Gegenstand zum Mund, befühlt ihn mit seinen Lippen und tastet ihn mit der Zunge ab.

Dann führt er weiter aus:

Das Kind will nicht prüfen, ob der Gegenstand essbar ist, oder ihn gar verschlingen. Sein Verhalten hat Erkundungscharakter: Es lernt den Gegenstand über seinen Mund kennen. Mit Lippen und Zunge untersucht es Größe, Konsistenz, Form und Oberflächenbeschaffenheit. Dabei vermitteln ihm die Sinneskörperchen der Schleimhäute sowie der Zungen- und Lippenmuskeln Eindrücke über die Beschaffenheit des Gegenstandes (sogenannte taktilkinästhetische Wahrnehmung). Die Entwicklungspsychologin Rose und ihre Mitarbeiter haben zeigen können, dass 9 Monate alte Säuglinge Formen von Gegenständen, die sie ausschließlich mit dem Mund untersucht haben, mit den Augen später wiedererkennen können.

Das orale Erkunden ist das dominierende Spielverhalten bis zum 8. Monat. Danach nehmen die Kinder Gegenstände immer seltener in den Mund. Nach dem 18. Lebensmonat kommt orales Erkunden kaum mehr vor. Der Mund bleibt aber ein empfindliches Sinnesorgan. Für blinde Menschen stellt er ein Leben lang ein wichtiges Wahrnehmungsinstrument dar.

Bestimmt hat er an Ihre Frau gedacht, denn er fügt hinzu:

Die meisten Eltern sehen es ungern, wenn ihr Kind Gegenstände in den Mund nimmt. Sie möchten das Mundeln unterbinden, weil sie der Meinung sind, dass es unhygienisch ist und zu vermehrtem Speicheln führt. Am meisten aber fürchten die Eltern, dass ein Gegenstand in die Luftwege des Kindes geraten könnte. Da das Mundeln ein vitales Bedürfnis des Säuglings ist, gelingt es den Eltern kaum, das orale Erkunden zu verhindern. Sie sollten es auch nicht unterbinden, da es ein sinnvolles Verhalten ist. Was die Eltern tun können, ist, dafür zu sorgen, dass in der Reichweite des Kindes möglichst keine gefährlichen Gegenstände herumliegen.

Soviel zum taktilen Erforschungsverhalten des Kindes!

Es gibt auch eine sehr spannende Hypothese von Immunologen, die ich hier ergänzen will:

Die Erforschung der Umwelt mit dem Mund könnte nämlich auch dem Aufbau eines an die Umwelt angepassten Immunsystems dienen. Tatsächlich bedeutet die Mundel-Phase ja auch eine ganz intensive Auseinandersetzung mit der für den Lebensraum des Säuglings typischen Keimausstattung der Umwelt. Und auf die muss sich das Immunsystem des Kindes ja einstellen. Indem es sie kennenlernt.

Wie dem auch sei, diese Phase scheint sehr gut abgesichert zu sein. Denn erstens enthält die Muttermilch einige hoch wirksame antibiotisch wirkende Wirkstoffe. Zum zweiten „sabbern“ die Kleinen in dieser Phase sehr viel, sie produzieren also viel Speichel – und der enthält ebenfalls Abwehrstoffe. Beides liefert dem Kind eine Art Schutzschild für seinen Mundel-Trieb.

Auf Mutter Natur ist also Verlass. Sie lässt die Kinder auf ihren Entdeckungsreisen nicht hängen! 😉

Herzlich

HRP

Typisch Remo Largo. Die Antwort, gut unterlegt, mit ausführlichen Erklärungen zur kindlichen Entwicklung und wissenschaftlichen Studien dahinter. Deshalb zitiere ich hier ausführlich aus seinem wunderbaren Buch Babyjahre.

Babyjahre: Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren

2 Kommentare

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  • Anna

    Danke ! Remo Largo beschreibt das alles sehr schön, und wenn es passt, kann ich das jungen Eltern auch empfehlen. Ich brauche ein deutlich kürzer gefasstes Buch zur Entwicklung von Babies und Kleinkindern – was können Sie da empfehlen?

  • Tanja

    Danke! Sehr schön, wie Largo sachlich und unaufgeregt die „Logik“ dieses Verhaltens erklärt. Super.