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Beratungsfrage2. Juli 2024

Ist das Elternbett sicher, wenn mein Mann raucht?

Leider gehört mein Mann zu den Rauchern – er raucht nicht oft, und wenn dann draußen. Nun bekommen wir ein Baby. Unsere Hebamme sagt, wenn mein Mann mit im Elternbett wäre, dann sei das „nicht optimal“, denn das Risiko des Plötzlichen Kindstods sei auch bei rauchenden Vätern deutlich erhöht. Nun weiß ich, dass Sie sich wissenschaftlich mit SIDS beschäftigen: Haben Sie einen Rat?

Das ist eine wirklich wichtige Frage, denn du willst ja einerseits dein Kind schützen, andererseits aber auch als Familie so zusammenleben, wie es für euch passt.

Und ja, Zigarettenrauchen ist tatsächlich ein bekannter Risikofaktor für den Plötzlichen Kindstod, daran gibt es keinen Zweifel. Betrachtet man die dazu gemachten Studien, so haben Säuglinge von rauchenden Müttern – um mit denen zu beginnen ein in etwa 4-fach erhöhtes Risiko am Plötzlichen Kindstod zu versterben.

Die Details sind allerdings dann mindestens genauso interessant, und ich führe sie jetzt an, weil sie auch für deine Frage nach dem Beitrag des *Vaters* wichtig sind.

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Zigarettenrauchen kann das Baby auf zwei Strecken schädigen: durch passives „Mitrauchen“ im Mutterleib (also durch Rauchen in der Schwangerschaft) oder durch Rauchen nach der Geburt des Säuglings (postpartales Rauchen). Weil beides ja sehr eng miteinander verbunden ist (kaum eine Mutter raucht in der Schwangerschaft und hört dann plötzlich nach der Geburt auf) landet beides in den Studien dann im selben Topf – und heraus kommt: Rauchen ist mit einem erhöhten SIDS-Risiko verbunden, ob man nun in den Fragebögen nach „Rauchen in der Schwangerschaft“ oder nach „aktuellem Rauchen“ fragt.

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Und beides Mal zeigt sich das: das mit dem Zigarettenrauchen verbundene Risiko ist dosisabhängig.

So sieht das zum Beispiel für Rauchen in der Schwangerschaft aus (Risikoerhöhung je nach Zahl der täglich in der Schwangerschaft gerauchten Zigaretten – OR von x bedeutet eine x-fache Risikoerhöhung) .

Und so für das „nachgeburtliche“ Rauchen (Risiko nach Stunden pro Tag an denen ein Baby Zigarettenrauch ausgesetzt ist):

Da ist zwar eine gute Nachricht enthalten (Einschränkung macht Sinn!). Die Grafiken beantworten aber die Frage nicht: Hängt das erhöhte SIDS-Risiko nun am *vorgeburtlichen* oder am *nachgeburtlichen* Rauchen?

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Soviel lässt sich dazu sagen: das vorgeburtliche Rauchen ist *bei weitem* der wichtigere Faktor. Und das macht auch biologisch Sinn, da sich klar zeigen lässt, dass Babys von Raucherinnen Hirnschädigungen genau in den Bereichen entwickeln können, die für die Atemregulation verantwortlich sind.

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Wie groß genau ist der Einfluss des nachgeburtlichen Rauchens? Das ist aus den genannten Gründen nur schwer genau zu bemessen. Dass er aber vergleichsweise gering bis sehr gering ist, ergibt sich aus der genauen Betrachtung der Studien – und hier kommen nun die Väter ins Spiel. In den Studien, in denen auch das väterliche Rauchen untersucht wird, zeigt sich nämlich das:

Auch das väterliche Rauchen ist mit einem deutlich erhöhten SIDS-Risiko des gemeinsamen Babys verbunden. In der Relation ist es fast so groß, wie wenn man das mütterliche Rauchen betrachtet. Und das ist auch wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Rauchen des Vaters sehr häufig auch mit mütterlichem Rauchen verbunden ist.

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Hier helfen nun die Analysen von Fällen weiter, in denen die Mutter Nicht-Raucherin ist, der Vater aber raucht (entsprechende Studien sind rar, aber es gibt sie). Und hier ist nun allenfalls eine nur sehr geringe Risikoerhöhung für das Baby festzustellen (die sich zudem bei Einrechnung anderer Faktoren dann vollends in die Nicht-Signifikanz verabschiedet).

Das heisst zusammenfassend: Die nachgeburtliche Belastung durch Zigarettenrauch ist (zumindest was SIDS angeht), für das Baby deutlich weniger entscheidend als die vorgeburtliche Belastung. Die Zahnpasta ist mit der Geburt sozusagen schon aus der Tube (was nicht heisst, dass das Aufhören jetzt aus sehr vielen anderen guten Gründen eine wunderbare Held*innen-Tat ist). Zudem lässt sich klar zeigen, dass ein möglicherweise dann noch bestehender Rest-Einfluss sehr deutlich mit der Dosis der in der Nähe des Babys gerauchten Zigaretten zusammenhängen würde.

Was heißt das für Euch? Wenn dein Partner sich so vernünftig verhält wie in der Frage beschrieben, hätte ich keinerlei Bedenken, dass er mit im Boot – ähm Bett – ist.

 

In den nächsten Wochen erscheint übrigens unsere wirklich spannende Übersichtsarbeit zum Thema SIDS in einer internationalen Fachzeitschrift. Es geht um die Frage, welche Rolle die Schutzfaktoren beim Plötzlichen Kindstod spielen (den wir ja oft aus der Risiko-Perspektive betrachten). Ich werde berichten!

Zu diesem Beitrag will ich gerne auf mein Buch „Gesundheit für Kinder" hinweisen: "Kinderkrankheiten verhüten, erkennen, behandeln". Es hat sich im deutschsprachigen Raum als DAS umfassende Nachschlagewerk zur Kindergesundheit etabliert. In unserem Shop mit Signatur und Widmung erhältlich.
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3 Kommentare

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  • Katharina

    Ich habe aus aktuellem Anlass gerade versucht, zu recherchieren, wie sich elterlicher Cannabiskonsum auf Kinder auswirkt (ich arbeite mit Kindern suchtkranker Eltern). Es gibt wenig Informationen dazu, aber ich habe gelesen, dass der Wirkstoff sich auch in der Kleidung festsetzt und von dort über die Bewegung wieder an die Luft abgegeben und auch von Kindern eingeatmet wird, die daraufhin Atemwegsprobleme bekommen können.
    Ich weiß nicht, ob das mit Nikotin genau so ist, aber es macht sicher Sinn, zum Schlafen dann ein rauchfreies T-Shirt anzuziehen (macht er vermutlich eh).
    Alles Gute für Euch!

    • Jale

      offtopic: Liebe Katharina, großen Respekt für Deine Arbeit. Du kannst bestimmt so einige Geschichten erzählen….

    • Anne

      Das nennt man (bei Zigaretten) third hand smoke und es ist bekannt, dass es nicht unbedenklich ist. Im Falle von hin und wieder draußen rauchen dürfte es aber wohl nicht so viel sein.

      Die Nase ist da ein ganz gutes und empfindliches Messgerät. Wenn ich die Schulhefte meines Sohnes in die Hand nehme, rieche ich ob der Lehrer im Raucherhaushalt lebt. Da haben sich auch Bestandteile des Rauches festgesetzt und werden dann wieder frei.