FAQ

Wie viele Fälle gibt es?

Auch das ist gar nicht so einfach zu be­ant­wor­ten. Zwar werden dazu Sta­tis­ti­ken ge­führt, und sie weisen auch in die richtige Rich­tung (die SIDS-Fälle nehmen seit 2–3 Jahr­zehn­ten ab).

Allerdings lässt sich nicht genau sagen, wie viele »echte« SIDS Fälle jedes Jahr passieren. Das liegt daran, dass die Feststellung eines SIDS eigentlich auf dem Ausschluss medizinisch eindeutiger Ursachen beruht, und eine verlässliche Klassifizierung als SIDS deshalb erst nach einer vollständigen Obduktion und weiteren Untersuchungen möglich ist. Nun werden und wurden insbesondere Obduktionen sehr unterschiedlich gehandhabt. In den 1980er und 1990er Jahren wurde nur eine Minderheit der Verdachtfälle überhaupt obduziert, heute sind es in Deutschland etwa 50%. Zudem schwankt die Gründlichkeit (also welche Techniken und Verfahren bei der Autopsie angewendet werden) von Zentrum zu Zentrum. Der Rückgang der SIDS-Diagnosen in den letzten Jahrzehnten könnte also zum Teil auf die heute höhere Häufigkeit von Obduktionen zurückzuführen sein (bei denen sich ja in immerhin etwa einem Drittel der Fälle eine Erklärung für den Todesfall ergibt).

Die unterschiedlichen Obduktionsraten erschweren auch den internationalen Vergleich. So sind in den Niederlanden SIDS-Fälle sehr viel seltener, obwohl dort die Säuglingssterblichkeit insgesamt höher liegt als in Deutschland. Das muss nicht heissen, dass die Kinder hierzulande mehr Risiken ausgesetzt sind. Es könnte auch damit zusammenhängen, dass in den Niederlanden fast alle SIDS-Verdachtsfälle durch gründliche Obduktionen abgeklärt werden.

Dazu kommt ein weiteres Problem: unklare Todesfälle im Säuglingsalter werden nicht einheitlich erfasst. Sie können unter mehreren verschiedenen Ziffern gemeldet werden. Ob ein Fall die SIDS-Ziffer bekommt oder nicht ist bisher nicht einheitlich geregelt und wird von Arzt zu Arzt unterschiedlich gehandhabt. Das erschwert Aussagen über die Häufigkeit von SIDS zusätzlich.

Ganz sicher aber lässt sich sagen: SIDS ist sehr selten. Er betrifft in Deutschland pro Jahr etwa 130 Babys (in einem Jahrgang von 670 000 Babys). In der Schweiz betrifft er pro Jahr etwa 6 bis 9 Babys (in einem Jahrgang von 85 000 Babys) . Das Risiko liegt damit prozentual ausgedrückt, unter 0,02 Prozent. Das Risiko einer Totgeburt − um ein anderes, unter Eltern gefürchtetes Ereignis zu nennen − ist damit etwa 15 bis 20 Mal größer. SIDS ist damit für deutlich unter 10% der Todesfälle im Säuglingsalter verantwortlich. Auch die immer wieder gehörte Behauptung, dass SIDS die häufigste Todesursache für Säuglinge jenseits der Neugeborenenperiode sei stimmt heute nicht mehr. Weitaus mehr Säuglinge versterben als Folge einer Erkrankung oder Fehlbildung, die schon im Mutterleib während der Entwicklung entstand oder als Folge von bekannten Erkrankungen.

Und: selbst wenn man beim Lesen der Statistik eher pessimistische Annahmen zugrundelegt: die Zahl der SIDS-Fälle sinkt weiter ab. Wissenschaftlich gesichert ist aber vor allem das: fast alle SIDS-Fälle sind mit klar definierten und zumeist vermeidbaren Risikofaktoren (wie etwa Zigarettenrauchen, Drogen- und Alkoholkonsum, Flaschenernährung, Schlafen auf dem Sofa) verbunden. Es gibt in der Literatur fast keinen SIDS-Fall, bei dem nicht ein bekanntes Risiko eine Rolle gespielt hätte.