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Herr Dr. Renz-Polster, was erwartet uns denn in Ihrem neuen Buch ?
Ein Interview mit dem Autor von „Mit Herz und Klarheit“
Herr Dr. Renz-Polster, was ist Ihr neues Buch denn – ein weiterer bedürfnisorientierter Elternratgeber?
HRP (schmunzelt): Natürlich geht es in meinem Buch um die kindlichen Bedürfnisse, und um Bindung, und wie! Das ist ja die Grundlage eines guten Miteinanders in der Familie. Aber von dort geht es noch ein ganzes Stück weiter, das deutet ja schon der Untertitel meines Buches an. Denn ja, wie ein Kind am Ende seiner Kindheit dasteht, entscheidet sich nicht nur an den guten Beziehungen zu seinen Eltern, wir vergessen das manchmal. Auch in liebevollen, achtsamen Beziehungen kann man einem Kind entscheidende Dinge vorenthalten.
… welche entscheidenden Dinge denn?
HRP: Entscheidend ist der *ganze* Erfahrungsraum des Kindes. Dazu gehört sein „Wurzelraum“, also das sichere Gebunden- und Bezogensein, aber genauso auch sein „Flügelraum“, wie ich es nenne. Also, dass das Kind auch die Welt entdecken kann, und das nicht unbedingt angeleint bei den Erwachsen, sondern mit dem eigenen Motor. Um diesen Flügelraum geht es mir in meinem neuen Buch auch deshalb, weil der in den letzten ein, zwei Generationen schwer gelitten hat. Ich gehe so weit, dass ich sage: Natürlich hätten die früheren, in den autoritären Zeiten aufgewachsenen Kinder die heutigen Kinder um deren insgesamt bessere Erziehung beneidet. Aber sie hätten sie wohl auch bemitleidet – für ihre oft lauwarmen Kindheiten nämlich. Den Entwicklungsraum müssen wir unbedingt wieder zurückerobern! Und da nehme ich die Eltern mit auf die Suche, wie das gehen kann.
Aber Eltern wissen heute doch so viel mehr über Erziehung, da sollte man doch meinen …
HRP: … dass die gar keine Ratschläge mehr brauchen? Nett gedacht, aber wie wir als Familie leben, das müssen wir doch immer wieder neu für uns ausarbeiten und lernen! Jede Generation muss das. Und die bedürfnisorientierte Szene hat da ja schon einen unglaublich positiven Ansatz reingebracht – mit ihrem zugewandten, positiven Kinderbild. Gleichzeitig aber merken viele Eltern aber auch, wie unglaublich schwierig die Umsetzung im Alltag ist. Wir feiern etwa das von seinem Wesen her kooperative Kind. Kinder kooperieren immer! – heisst es dazu ja in vielen Ratgebern. Nur, die Klage Nummer eins der Eltern heute lautet – übrigens auch im bedürfnisorientierten Umfeld: Hilfe, mein Kind kooperiert nicht! Unglaublich, was ich da an Klagen höre: Wir haben unser Kind immer liebevoll und zugewandt erzogen, – und jetzt ist unser Familienleben ein riesen Stress, weil unser Kind sein Ding durchzieht und unsere Bedürfnisse unter die Räder kommen.
Und warum ist das so?
HRP: Vielleicht auch, weil Eltern das mit der Bedürfnisorientierung manchmal missverstehen? Sie wollen ihren Kindern alle guten Gaben des liebevollen Miteinanders zuteil werden lassen. Aber Selbstständigkeit, innere Stärke, Resilienz – das entsteht nicht einfach, indem die Eltern ihre Kinder mit guten und leckeren Zutaten füttern, und seien sie noch so hochwertig! Und ein gutes Miteinander entsteht daraus auch nicht unbedingt. Ich gehe in meinem Buch da ganz bewusst auch den Weg in indigenen Kulturen. Das Spannende dabei: Dort triffst du auf Dreijährige, Vierjährige, Fünfjährige, die in sozialer und emotionaler Hinsicht so viel weiter sind! Das heisst nicht, dass wir da was kopieren können – aber wie wunderbar, mal zu verstehen, was da anders läuft – und auf welchen Grundlagen Selbstständigkeit und Kooperation überhaupt entstehen!
Grenzen setzen, ist es vielleicht doch das, was fehlt?
HRP: Ja, diesen Evergreen behandle ich natürlich auch, zwei Kapitel lang… Ich nenne ihn den Layla-Hit der Pädagogik. Warum? Weil das oft so primitiv verstanden wird: Grenzen setzen als Erziehungstechnik. Aber es ist doch viel spannender, tiefgründiger, magischer auch! Wo wir als Familie zusammenleben und als Eltern unseren Job gut machen, entsteht manchmal ein Ja, manchmal ein Nein. Und zwar kein Nein, das wir vor schlechtem Gewissen kaum über die Lippen bringen, sondern zu dem wir in aller Klarheit stehen. Damit der Laden läuft, müssen manchmal wir Eltern bestimmen, manchmal nicht – so einfach ist das. Grenzen sind also automatisch Teil des Pakets, wenn Kinder mit echten Eltern leben, mit Eltern also, die nun einmal die Verantwortung tragen, und die genauso über die Runden kommen müssen wie das Kind. Und deshalb gut daran tun, sich an dem versuchen, was ich die „gute Autorität“ nenne.
Moment mal, Autorität? Jetzt doch wieder das alte Schema?
HRP: Überhaupt nicht! Wir da oben, ihr hier unten, darum geht es nicht. „Gute Autorität“ funktioniert nur auf dem Boden tragender, warmer und wertschätzender Beziehungen. Aber diese Beziehungen müssen dem Kind auch Orientierung geben. Das erwarten Kinder von ihren Eltern, und das fehlt in den Familien manchmal, finde ich. Eltern, die „mit Herz und Klarheit“ vor ihren Kindern stehen, ich habe dieses Doppelpack ja ganz bewusst als Titel gewählt! Eltern auch, die sich zeigen – nicht mit Techniken, Regeln, Idealen, und auch nicht als die Superchecker oder Immer-Rechthaber – sondern als die „Älteren“, die ein möglichst gutes Leben für den ganzen Laden organisieren.
Also Eltern als Führer, Leitwolf und so?
HRP (schmunzelt) : Ich glaube, gute Menschen-Leitwölfe lassen sich manchmal auch von ihren Kindern führen. Und manchmal führt das ganze Rudel zusammen. Nur, diese Menschen-Leitwölfe wissen, in welchen Situationen *sie* gefragt sind, und wo es um Abstimmung geht. Diesen so spannende „Tanz“ beschreibe ich ausführlich – auch weil da oft so viele Missverständnisse dran kleben, wenn ich von „starken“ Eltern rede …
Nennen Sie Punkte?
HRP: Das Medienproblem etwa – das können wir in der Familie nur packen mit echter elterlicher Stärke – mit der Fähigkeit konstruktiv und klar für eine Balance zwischen realer und virtueller Welt zu sorgen. Eine unglaubliche Herausforderung ist das inzwischen, so wie sich die Medienwelt verändert hat. Kein Wunder also, dass dieses Kapitel das längste im ganzen Buch geworden ist.
Apropos Länge – Ihr Buch hat 432 Seiten, muss das sein?
HRP: Ja, bei diesem Buch muss das sein. Es ist eine Zusammenschau von allem, was ich über Kinder und Familien in den letzten 20 Jahren gelernt habe. Und wer mich kennt, weiss auch, dass mir schon auch das tiefere Verständnis wichtig ist. Nehmen wir die Handy-Frage – klar kann ich schreiben, ab welchem Alter ich ein Handy okay finde und so weiter. Aber ich will ja, dass Eltern auch verstehen, welcher Geist da aus der Flasche steigt und warum Kinder zu seinen Sklaven werden können, und wo deren Resilienzfaktoren liegen, und so weiter. Nur wenn wir die Kinder verstehen, können wir sie als Eltern adäquat begleiten. Das alte Lied, unter dessen Melodie ist ja mein ganzes Werk entstanden.
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