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Interview

Menschenkinder: Interview

Zum Erscheinen der »Menschenkinder« entstand dieses Interview. Es kann komplett ohne Nachfrage abgedruckt oder weitergegeben werden. Bildmaterial ist zudem hier als kostenfreies Download verfügbar.

In der Erziehung scheint das Rad immer neu erfunden zu werden – alle 10 Jahre ein neuer Trend?

Ja, und das Rad dreht sich immer schneller – mal kommt eine „weiche“ Welle, dann wieder ein „harter“ Schub. Und die Eltern stehen mittendrin, es gibt da längst keinen Konsens mehr, wie wir unsere Kinder behandeln sollen. Die einen warnen vor zu viel Nähe – da könnten die Kinder womöglich verwöhnt werden. Die anderen raten zu Nähe satt. Die einen wollen das gesunde Selbstbewusstsein der Kleinen fördern. Die anderen warnen vor den „kleinen Tyrannen“. Kein Wunder für mich, dass die Eltern verunsichert sind – sie sind ja tatsächlich von Experten umstellt, die sich allesamt widersprechen. Irgendwann hat man es als Elternteil dann kapiert: ein guter Teil von dem, was über Kinder behauptet wird, ist bloße Spekulation.

Und was setzen Sie dem entgegen?

Ich glaube wir kommen erst weiter, wenn wir die Geschichte der Kinder berücksichtigen. Das klingt vielleicht seltsam, aber ich bin mir sicher: Nur indem wir an den Kindern Maß nehmen, wie sie sich über Tausende von Jahren entwickelt haben, kriegen wir in der Erziehung Boden unter den Füßen. Denn wie sich Menschenkinder entwickeln, folgt keiner Willkür. Dahinter steht ein sinnvolles Muster, und es hat sich als Antwort auf die Herausforderungen gebildet, vor denen die Kinder in der Menschheitsgeschichte immer wieder gestanden sind. Wir müssen diese Grundlage der Entwicklung kennen. Nur so können wir bei der Erziehung wirklich von Kindern ausgehen wie sie SIND – und nicht von Kindern, wie wir sie uns tagesaktuell zusammenreimen

Und was soll das bringen – heute, wo wir doch ganz anders leben als etwa in der Steinzeit?

Der Wichtigste was es uns bringt, ist, dass wir die Kinder dadurch besser verstehen. Ich denke, Eltern haben dann weniger Ängste und machen ihren Kindern nicht diese vielen falschen Vorwürfe. Beim Thema „Verwöhnen“ etwa: mein Gott, was haben Eltern da für Ängste, dass sie ihr Baby verzärteln, wenn sie es immer gleich trösten oder zu sich ins Bett nehmen! Aus Sicht der Evolution ist das so was von überflüssig! Körperliche Nähe hat immer zu den unverhandelbaren Schutzbedingungen kleiner Kinder gehört. Dass kleine Kinder durch die Gewährung von Nähe verwöhnt werden könnten, macht deshalb einfach keinen Sinn! Schließlich mussten Kinder früher genauso selbstständig werden wie heute, und wie!

…Also ist das Verhalten der Kleinen eher als Stärke zu sehen?

Die Kinder verhalten sich ja tatsächlich oft anders, als die Eltern sich das wünschen – sie schlafen nicht gerne alleine, sie essen ihr Gemüse nicht, mit ihren Zornanfällen bringen sie uns an den Rand. Und von der Pubertät will ich gar nicht anfangen. Irgendwie haben wir uns darauf verständigt, dass das alles Schwachstellen sind, die es schnell zu reparieren gilt. Auf jeden Fall aber Probleme, und zwar Probleme der KINDER. Aus evolutionärer Sicht sieht das anders aus. Da geht es nicht um die Schuld. Kinder entwickeln sich so, wie sie sich entwickeln, weil es einmal gut für ihr Überleben war – basta.

Dann erklären Sie uns doch mal zum Beispiel, warum kleine Kinder nicht alleine schlafen wollen und was das bringen soll…

Diese Tragödien um den Kinderschlaf sind aus Sicht der Evolution tatsächlich in die Kinder einprogrammiert. Denn unter den ursprünglichen Lebensbedingungen der Menschheit war es für leckere kleine Geschöpfe geradezu tödlich alleine zu schlafen – die Kleinen wären ja von Hyänen verschleppt, von Ratten angeknabbert oder von einer plötzlichen Kaltfront unterkühlt worden. Klar, dass sie von Natur aus den Schutz eines vertrauten Erwachsenen suchen, wenn sie müde werden. Und weil unsere Anlagen ja nicht mit jeder Generation neu geschrieben werden, tun sie das auch heute noch, obwohl sie gut geschützt hinter Dreifachglasfenstern schlafen und die Eltern mit einem großen Ohr am Babyphon kleben… Die Kleinen können das aber ja nicht „wissen“!

Ist die Sicht in Ihrem Buch denn wirklich so grundlegend anders?

Ich denke, die Sicht der Evolution ist in gewisser Weise schon radikal – zumindest im ursprünglichen Sinn des Wortes: der Blick geht an die Wurzeln. An die Wurzeln der kindlichen Entwicklung nämlich. In der Erziehungsdebatte geht es mir viel zu oft um die tollen Ziele, die wir für die Kinder haben – vor lauter Ziel vergessen wir aber dann oft das Kind mit seinen Wurzeln. Das wird dann rasch zu einer Art Entwicklungsprojekt – wie können wir es am besten fördern? Da wünsche ich mir eindeutig mehr positives Denken! Statt nach dem zu suchen, was unseren Kindern FEHLT, sollten wir öfter das sehen, was sie mitbringen. Kinder sind für ihren Weg gut gerüstet. Sie brauchen keine Entwicklungshelfer um sich, sondern Menschen, die in einer authentischen Beziehung mit ihnen leben. Sie brauchen keine Trainer, sondern ELTERN.

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